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Will sie ins Ziel, hat auch die Yacht des "Camper Emirates Team New Zealand" 45.000 Kilometer hinter sich zu bringen.

Foto:Ian Roman/Volvo Ocean Race via AP Images/AP/dapd

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Nasses Zuhause für Monate: Drei Stunden Schlaf gelten als Luxus, das Essen kommt aus der Tube, und manche Segler verlieren auf einer Etappe zehn Kilo.

Bei der Atlantic Rally for Cruisers (ARC) ist zur Zeit Bloggerin Verena Diethard mit dabei.
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Foto: Volvo Ocean Race

Sie sind keine klassischen Schönheiten. Klobig, unproportioniert wirken die sechs Volvo-Open-70-Yachten. Ihr Heck ist auffällig breit. Das Vorschiff läuft unverhältnismäßig spitz zusammen. Die Bordwände der 21,5 Meter langen Boote stehen ungewöhnlich steil. Insgesamt sind die Yachten erstaunlich flach, sodass sie selbst bei leichtem Wellengang ständig überspült werden. Der Mast schießt 31,5 Meter gen Himmel. Bei wenig Wind tragen die Yachten eine Segelfläche von gigantischen 600 Quadratmeter. Der Deck-Aufbau ist spartanisch, technisch, kühl.

Man sieht diesen Yachten an, dass sie für extreme Leistungen unter extremen Bedingungen konstruiert wurden. Beim Volvo Ocean Race, das vor kurzem von der spanischen Mittelmeerstadt Alicante aus gestartet ist, geht es einmal um die Welt, von West nach Ost, über die Weltmeere. Fast 45.000 Kilometer legen die sechs Teams zurück, bevor sie im nächsten Juli im irischen Galway erwartet werden. Es ist die extremste und spektakulärste Regatta, die der Segelsport zu bieten hat. Im Südpazifik erwarten die zehn Segler an Bord einer jeden Yacht 30 Meter hohe Wellen, Winde mit einer Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h. Im Südpolarmeer Eis und Wale. Die Yachten müssen mit allen erdenklichen Wetter- und Wellenbedingungen zurechtkommen. Schließlich geht es bei der Regatta um das schnellste und verlässlichste Boot, das allen Widrigkeiten, vielleicht sogar verlorengegangenen Containern trotzen muss.

Geheimsache Design

"Wir haben versucht, eine optimale Lösung für eine Yacht zu finden, die sehr gut in den Wellen liegt und die extrem gut Fahrt machen kann." Das sagt Marcelino Botin. Es ist ein typischer Satz von einem Yachtdesigner, der sich nicht in die Karten schauen lassen möchte. Designentwürfe für hochklassige Regatten werden gehütet wie der Goldschatz von Fort Knox. Der schlanke, hochgewachsene Mann ist der Chefdesigner des Camper Emirates Team New Zealand. Der Spanier, der an der Nordküste der iberischen Halbinsel aufwuchs, hat für die Neuseeländer alle America's-Cup-Yachten entworfen, seitdem der südpazifische Inselstaat die begehrte Trophäe 2003 an die Schweizer von Alinghi verloren. Außerdem konstruierte Botin erfolgreiche TP-52-Yachten und die Puma-Yacht, die in der vergangenen Auflage des Volvo Ocean Race den zweiten Platz belegte. Das neuseeländische Team, das beim Volvo Ocean Race vom spanischen Schuhproduzenten Camper finanziert wird, gilt als einer der Favoriten. Als die Yachten Alicante für die erste Etappe in Richtung Kapstadt verließen, setzte sich Camper mit dem auffällig roten Design, das von dem berühmten Grafikdesigner Mark Farrow aus England entworfen wurde, für eine Zeit an die Spitze. Mit einer Geschwindigkeit von 22 Knoten (mehr als 40 km/h) wühlte sich die Yacht unter Führung des Australiers Chris Nicholson durch eine aufgewühlte See und schien dabei zeitweise über das Wasser zu fliegen.

Starke Winde, Wellengang. In diesem Elemente fühlen sich die Volvo-70-Yachten wohl. Hier entfalten sie ihre eigentliche, kraftvolle Schönheit. "Das sind wirkliche Monster", urteilte der Segelexperte Peter Lester. Topsegler Tim Kröger schrieb über das Rennen: "Beim Runtersurfen von diesen Monsterwellen bohrt sich der Bug oft ins Wellental. Danach sitzt man hüfthoch im Eiswasser."

Aufgrund der tonnenschweren Kräfte, die an den filigranen High-End-Yachten zerren, immer wieder zu Materialschäden. Bereits in der ersten Nacht des Rennens erwischte eine große Welle die Yacht von Abu Dhabi Ocean Racing und pulverisierte deren Mast. Das Team musste zur Reparatur zurück nach Alicante. Wie auch das chinesische Sanya-Team, dessen Yacht sich im schweren Wellengang ein Loch im Rumpf holte. In der Vergangenheit erreichten nicht immer alle Teams das Ziel der Gewaltreise. Das Design der einrümpfigen Weltumsegler hat in den vergangenen 15 Jahren einen Quantensprung gemacht. Einheits-yachten, die nach einer vorgegebenen Regel gebaut werden, gibt es im Volvo Ocean Race seit 1997. Mit der Vorgabe der Länge, Breite, dem Tiefgang und dem Gewicht für die Yachten sollten die Wettbewerbsfähigkeit der Teams reguliert und die Kosten minimiert werden. Die Yachten wurden immer schneller, aber auch komplexer in ihrer Handhabung. Mit zwei Mannschaften à fünf Seglern werden die Yachten gesegelt. Eine enorme physische Anstrengung - bei manchen Seglern setzt vor lauter Stress der Bartwuchs aus, andere verlieren bis zu zehn Kilo auf einer Etappe.

Es wird erwartet, dass bei diesem Volvo Ocean Race die schnellste Yacht rund drei Wochen früher ankommen wird als der Sieger der letzten Weltumsegelung. Das waren die Schweden der Ericsson 4. Sie segelten in 24 Stunden 596,6 Seemeilen (mehr als 1100 Kilometer) weit und stellten damit einen Rekord auf. Segelexperten erwarten, dass auch dieser Rekord fallen wird.

Mittlerweile ist die dritte Generation der sogenannten Volvo-Open-70-Yachten am Start. Die Regeln wurden nochmals verfeinert und enger gestrickt, um die Chancengleichheit zu erhöhen. "Es wird ein sehr hartes Rennen", meint Botin. "Wir glauben zwar, dass wir mit unserem Design vorn liegen. Wir haben ein schnelles Boot kreiert. Das steht außer Frage. Aber gerade diesmal dürfte es sehr eng werden. Die anderen Teams sind gut bestückt." Die Vorgaben geben den Designern nur wenig kreativen Spielraum. Der Clou für ein schnelles Boot ist sein möglichst aufrichtendes Moment. Bei den Volvo-70-Yachten, deren Rümpfe Wunder der widerstandsfähigen Strukturentwicklung sind, wird dies über den vorgegebenen Ballast in Verbindung mit einer möglichst optimalen Breite der Wasserlinien erreicht. Die Yachten haben einen Schwenkkiel, der bis zu 40 Grad zu jeder Seite geneigt werden kann, um die optimale Lage am Wind zu erreichen. Die Camper gilt als radikaler Entwurf. Der Kiel sitzt vor dem Mast. Zudem sind die Schwerter weiter hinten positioniert als bei den anderen Yachten.

Botin sitzt in Alicante im Pavillon von Camper, der vom Stararchitekten Shigeru Ban entworfen wurde. Neben ihm steht ein Modell der Camper-Yacht. Er blickt das Modell an, und man meint, ein Lächeln auf seinem Gesicht ausmachen zu können. Botin wird während des Rennens natürlich nicht an Bord sein. Er wird die Reise seiner Yacht via Livestream verfolgen. "Ich kann jetzt ohnehin nichts mehr tun. Ich habe meine Arbeit getan. Und ich hoffe sehr, dass sie so gut ist, dass wir gewinnen." Außerdem, sagt er, seien die Segler wirklich nicht zu beneiden. "Dieses Rennen ist der Wahnsinn. Ich weiß wirklich nicht, wie man so etwas durchstehen kann." (Ingo Petz/DER STANDARD/Rondo/25.11.2011)