Minsk - Der prominente weißrussische Menschenrechtler Ales Beljazki (49) muss in der autoritären Ex-Sowjetrepublik für viereinhalb Jahre ins Straflager. Richter Sergej Bondarenko verurteilte den Leiter des inzwischen geschlossenen Menschenrechtszentrums Wesna (Viasna) in Minsk am Donnerstag wegen Steuerhinterziehung. Die EU hatte den Prozess als politische Inszenierung angeprangert. Beljazki hatte mit seiner Organisation auch Gegnern von Präsident Alexander Lukaschenko geholfen, der als "letzter Diktator Europas" gilt.
Der Präsident des Europaparlaments, der Pole Jerzy Buzek, verurteilte den Schuldspruch gegen Beliazki. Das EU-Parlament sei "höchst besorgt angesichts der ungerechtfertigten Strafverfolgung und Verurteilung" Beliazkis, erklärte Buzek in Brüssel. Die Vorwürfe gegen ihn seien "politisch motiviert und nicht gerechtfertigt". Der Parlamentspräsident rief die weißrussische Regierung auf, Beliazki ebenso wie alle anderen politischen Häftlinge "unverzüglich und bedingungslos" freizulassen und erhobene Anklagen fallenzulassen.
Nach dem Richterspruch kam es nach Angaben der unabhängigen Minsker Agentur Belapan zu Protesten unter den Zuschauern. "Freiheit für Beljazki", forderten Bürgerrechtler. Das Gericht konfiszierte nach Informationen eines Reporters am Donnerstag zudem das gesamte Eigentum des 49-jährigen Ales Beliazki. "Viasna wird nicht aufhören zu arbeiten", erklärte Beliazki nach dem Urteil. Das Wesna-Zentrum habe seit 1996 Tausenden Menschen in Belarus helfen können. "Ich werde meine Arbeit fortsetzen - im Gefängnis oder in der Freiheit", sagte Beliazki. Sein Anwalt kündigte an, in Berufung zu gehen.
Der derzeitige OSZE-Vorsitzende, der litauische Außenminister Audronius Azubalis, drückte in einer Aussendung seine Betroffenheit aus und forderte die Freilassung Beliazkis. Das norwegische Helsinki-Komitee für Menschenrechte bezeichnete das Urteil als "Schande für Europa".
Scharfe Kritik Deutschlands
Auch die deutsche Regierung kritisierte den Richterspruch scharf und forderte die sofortige Freilassung des Bürgerrechtlers. "Ich fordere die Freilassung und Rehabilitierung aller politischen Gefangenen in Belarus", sagte der Menschenrechtsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Markus Löning (FDP), einer in Berlin veröffentlichten Mitteilung zufolge. Es handle sich um einen "Schauprozess", schrieben Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt und die Abgeordnete Marieluise Beck (beide Grüne) in einer ebenfalls in Berlin verbreiteten Mitteilung. "Diktator Lukaschenko versucht, in Zeiten des wirtschaftlichen Zusammenbruchs mit stalinistischen Methoden eine Atmosphäre der Angst zu verbreiten."
Das Gericht in Minsk blieb unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die fünf Jahre Straflager beantragt hatte. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Richter Bondarenko ordnete eine Beschlagnahmung von Beljazkis Vermögens an.
Der mit vielen Preisen ausgezeichnete Beljazki war gegen internationalen Protest Anfang August festgenommen worden. Die Anklage warf ihm vor, über illegale Konten in den Nachbarländern Litauen und Polen verfügt zu haben. In den Jahren 2008 bis 2011 soll er 567.700 Euro von den Auslandskonten nicht deklariert haben. Die beiden NATO-Staaten hatten im Zuge von Amtshilfe den weißrussischen Behörden Unterlagen überreicht, später aber deren Verwendung als Belastungsmaterial kritisiert.
Beliazki wies die Vorwürfe der Anklage zurück. Das Geld sei von ausländischen Menschenrechtsorganisationen gezahlt worden, um die Arbeit von Wesna zu unterstützen. Es sei kein privates Einkommen. Wesna hatte 2003 nach wiederholten Konflikten mit den weißrussischen Behörden seine amtliche Eintragung verloren und ist seitdem gezwungen, seine Büros und Finanzangelegenheiten im europäischen Ausland zu betreiben. (APA/AFP)