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Foto: REUTERS/Francois Lenoir

Kann ein Wissenschafter in zehn Minuten ein Forschungsprojekt erklären? Kann er zur Illustration seiner Worte eine kurzweilig gestaltete Powerpoint-Präsentation zeigen und dabei auch noch verständlich bleiben? Wer diese drei Fragen liest und an die letzte Powerpoint-Präsentation mit dreißig Folien denkt, an das zähe Ringen mit dem Schlaf und mit dem Bedürfnis, sofort aufzustehen und sich unhöflich davon zu schleichen, wird seine Zweifel haben. Muss sich aber auch eines Besseren belehren lassen: Drei junge Forscher haben Dienstag abends im Bremer Fritz-Theater bewiesen, dass es möglich ist. Das Format "Science Slam", das auch hierzulande schon realisiert wurde, bildete den Abschluss der "Wissenswerte", des Forums für Wissenschaftsjournalismus. Da hat man auch Tradition in Deutschland: "Science Slam" wurde 2006 in Darmstadt entwickelt.

Die drei Jung-Wissenschafter bewegten sich auf der Bühne gerade so, als wäre das ihr Zuhause und nicht irgendein Labor. Der Sieger sprach schneller, als manche denken konnten. Er machte Witze, auch dreckige, politisch unkorrekte Witze - und war der unumstrittene Star des Abends. Die Sehnsucht der versammelten Forumsteilnehmer nach dem Forscher, der sich vom Mainstream abhebt, war offenbar zu groß. Am nächsten Tag waren große Teile seiner so flott präsentierten Inhalte vergessen. Da fragte man sich schon, welchen Sinn das alles hatte.

Eine Frage, die eine Journalistin formulierte, muss auch erlaubt sein: Was müssen die Wissenschafter noch können neben dem Forschen? Paper schreiben, Interviews geben. Als Stand-up-Comedian müssen sie aber offenbar auch auftreten. Trotzdem fällt es Wissenschaftern, zumindest Naturwissenschaftern, im Jahr 2011 deutlich leichter als noch vor 20 Jahren, als Medienarbeit mit Zwangsarbeit verwechselt wurde: Jetzt forscht die Generation, die mit Handy und Internet groß geworden ist, und weiß, dass ein Treffen mit Journalisten im Normalfall nicht weh tut. Aber wie schafft man Vertrauen zwischen Wissenschaftern und Journalisten, damit ein Forscher weiß, dass der Redakteur beim Schreiben nicht Birnen mit Äpfeln verwechselt und den Mond für einen Planeten hält. Wie können beide Berufsstände kooperieren, ohne voneinander abhängig zu sein? Wissenschafter haben es ja eher selten mit Berichterstattern zu tun, die in ihrem Fach auf genau dem gleichen Wissensstand sind. Und Journalisten haben Erfahrung damit, dass sich Wissenschafter, wenn sie etwas zu den Medien sagen, nicht selten große Sorgen machen, ob sie richtig verstanden und auch wiedergegeben werden. Und immer diese Verkürzungen: Die letzte 40-seitige Arbeit will der auf einer Viertelseite in der Zeitung darstellen? Wie soll das gehen?

Ein Kooperationsmodell präsentierte das "Heidelberger Institut für Theoretische Studien" (HITS), das ab Juli 2012 Journalisten die Möglichkeit zu einem drei bis sechsmonatigen, bezahlten Gastaufenthalt bietet - dotiert mit 5000 Euro monatlich. Da kamen logischerweise Fragen nach der Erwartungshaltung, welche Art von Journalismus sich das HITS dabei erhofft. Kritischen Journalismus? Gefälligkeitsjournalismus? Erwartet man sich offene Diskussion? Müssen die Journalisten dabei die ganze Zeit "am Schoss der Forscher" sitzen? Die Antwort konnte offener nicht sein: Wenn man etwas zu kritisieren habe, könne man sie am besten gleich äußern. Und was heißt das jetzt bitte genau? In jedem Fall bieten sich für Kollegen in Deutschland wenigstens derlei Gelegenheiten.

Einen seltsamen Beigeschmack haben eigentlich nur Modelle, die bei der Kommunikation mit der Öffentlichkeit den Journalisten umgehen und seine Rolle, Inhalte zu interpretieren, kritisch zu hinterfragen und zu präsentieren, schlicht von der Besetzungsliste gestrichen wird: Deshalb stimmt den Blog-Autor die Idee von Fördergebern, selbst ein Science TV zu präsentieren, nachdenklich. "Die denken sich, wir sind alle zu blöd, wir sind alle Nulpen. Oder sie wollen keine kritischen Fragen hören", sagte am Abend ein Journalist zum anderen. Das merkt man sich als Österreicher in Bremen, weil das Wort "Nulpe" so schön herablassend ist.

Und wenn man das hört und auch hört, dass immer noch viele Chefredakteure glauben, dass mit seriöser Wissenschaftsberichterstattung keine Quote zu machen sei, müsste man doch glatt verzweifeln. Das Gegenteil ist nämlich der Fall: Fernsehjournalisten berichteten auf der "Wissenswerte", dass sie mit ihren Wissenschaftsbeiträgen mehr Zuschauer anlocken als so manche Kultursendung.

Am letzten Tag der "Wissenswerte" durften die Journalisten an Exkursionen zu Forschungslabors teilnehmen, zum Beispiel zum Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DKFI) an der Universität Bremen. Da sah man unter anderem humanoide Mini-Roboter, die Fußball spielten. Der Tormann warf sich tollkühn in die Ecke, wenn es darum ging, einen Ball zu halten. Und richtete sich selbst auf. Wenn er allein am Feld war, ging er aus dem Tor, um den Ball bei den Gegnern zu versenken. Warum wusste er das? Hier taten sich zukünftige Aufstellungsvarianten für so manche heimische Mannschaft auf.

Die Wissenschafter sind mit ihrem Softwareprogramm zuletzt Weltmeister geworden. Der Präsentator schloss mit einem kräftigen Seitenhieb auf Werder Bremen eine Klammer zum Tag vor Beginn der "Wissenswerte", als Werder gegen Borussia Mönchengladbach 0:5 verloren hatte: "Wir sind die, die 5:0 gewinnen, die anderen sind die, die verlieren."