Innsbruck - Die Herzinsuffizienz oder -schwäche, eine krankhaft verminderte Pumpleistung des Herzens, ist laut dem Innsbrucker Kardiologen Gerhard Pölzl mittlerweile vor allem bei alten Menschen eine neue Volkskrankheit. Man gehe davon aus, dass es derzeit in Österreich 250.000 Betroffene gebe, meinte der Leitende Oberarzt an der Kardiologie der Universitätsklinik Innsbruck. Ärzte beobachteten eine "dramatische Steigerung", vor 15 Jahren hätten rund 40 Prozent weniger Menschen an Herzinsuffizienz gelitten.

"Eine Herzinsuffizienz ist von der Schwere der Krankheit mit einer Krebserkrankung zu vergleichen. Man kann daran sterben", sagte Pölzl. Der "rapide Anstieg" in den vergangenen Jahrzehnten sei zum einen auf die steigende Lebenserwartung zurückzuführen, erklärte der Mediziner. Schließlich würden rund zwölf Prozent der Menschen über 75 Jahren an der Krankheit leiden, bei den 45- bis 55-Jährigen sei es lediglich ein Prozent.

Verminderte Pumpleistung nach Herzinfarkt

Zum anderen sei die beträchtliche Zunahme an Herzinsuffizienz-Erkrankungen aber auch auf die Fortschritte der modernen Medizin zurückzuführen. "Viele, die akute Erkrankungen des Herzens wie etwa einen Herzinfarkt dank der modernen Medizin überleben, können in weiterer Folge wegen dieser Krankheit oft an einer verminderten Pumpleistung des Herzens leiden", erläuterte der Kardiologe.

Heute wisse man auch, dass Chemotherapeutika, die bei vielen Krebserkrankungen das Überleben sichern, eine Herzpumpschwäche und damit Herzinsuffizienz erzeugen könnten, führte Pölzl weiters aus. "Man muss aber in diesem Bereich sehr vorsichtig sein, um nicht unnötig zu verunsichern", stellte der Oberarzt klar. Zudem gebe es vermehrt Herzinsuffizienzen, weil das Risiko für Herzkreislauferkrankungen wie Herzinfarkte und Bluthochdruck generell zugenommen habe und diese wiederum die häufigsten Ursachen für die "letzte Konsequenz" Herzinsuffizienz seien.

Mangelhafte Versorgung

Die Herzschwäche sei heutzutage jedenfalls schon die "häufigste Aufnahmediagnose" ins Krankenhaus bei den über 65-Jährigen. Wenngleich die Instrumente und das Wissen zur Linderung der Symptome vorhanden seien, würden die etablierten und innovativen Therapien aber zu selten eingesetzt, meinte Pölzl. Viele Patienten würden nicht mit ausreichend Medikamenten versorgt. Dies habe auch mit dem schwierigen Versorgungssystem bei alten Menschen zu tun. "Alte Menschen nehmen Medikamente oft nicht ein oder holen sie gar nicht ab. Oder man verordnet sie nicht, weil man vorsichtiger und zurückhaltender ist", sagte der Mediziner. Derzeit werde versucht, Versorgungsprojekte mit Krankenschwestern bei den Patienten zu Hause auf die Beine zu stellen.

Die Universitätsklinik Innsbruck gehe jedenfalls bereits jetzt neue Wege in der Behandlung von Herzschwäche-Patienten. "Wir haben vor sieben Monaten eine Ambulanz geschaffen, in der in einem interdisziplinären 'Heart Failure Team' Kardiologen und Herzchirurgen eng zusammenarbeiten. Wir sind das einzige Zentrum mit diesem Angebot in Österreich. Es hat sich sehr bewährt", berichtete der Kardiologe. Zudem würden operativ eingesetzte "Herzunterstützungssysteme" immer mehr an Bedeutung gewinnen und höchstwahrscheinlich "Schritt für Schritt" Herztransplantationen ablösen.

Pölzl veranstaltet gemeinsam mit seinem Kollegen Matthias Frick am Samstag in Innsbruck eine Herz-Tagung, das sogenannte "6. Konsensusmeeting Herzinsuffizienz". Daran sollen mehr als 100 Internisten, Kardiologen und Allgemeinmediziner teilnehmen. (APA)