Der Installer von Linux Mint kommt schnell bekannt vor - ist es doch dasselbe Stück Software, das auch bei Ubuntu zum Einsatz kommt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Um den Login kümmert sich wie bei Ubuntu 11.10 LightDM.

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Der Default-Desktop von Linux Mint 12, ein GNOME 3.2 mit zahlreichen Mint-spezifischen Erweiterungen.

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Eine davon ist das Mint-Startmenü.

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Das "User Menu" der GNOME Shell wurde nur leicht angepasst - "Suspend" durch "Ausschalten" ersetzt.

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Das Activities Overlay der GNOME Shell ist hier neben den ganzen GNOME2-ähnlichen Elementen ebenfalls erhältlich.

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Um Benachrichtigungen kümmert sich die GNOME Shell, Linux Mint 12 hat im Panel allerdings einen eigenen Knopf für den Aufruf des eigentlich versteckten Benachrichtigungsbereichs hinzugefügt.

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Das Workspace-Management kann wahlweise im GNOME2-Stil über ein Panel-Applet oder das GNOME-Shell-Overlay vorgenommen werden.

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All die Linux-Mint-spezifischen Erweiterungen der GNOME Shell können auf Wunsch einzeln deaktiviert werden.

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Als Alternative liefert man noch "Mate" mit, eine Abspaltung von GNOME 2.32.

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Diese wirkt allerdings noch etwas unfertig, die realen Unterschiede zur alten GNOME-Release beschränken sich eigentlich auf einige umbenannte Anwendungen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Über die Jahre hat sich Linux Mint den Ruf erarbeitet, eine Art erweitertes - für manche auch: besseres - Ubuntu zu sein. Mit dem Fokus auf spezifischen Erweiterungen an der User Experience - etwa einem eigenen Startmenü - und einer umfangreicheren Default-Softwareausstattung konnte man so eine durchaus signifikante Anzahl an NutzerInnen um sich versammeln.

Abkehr

Der wirklich große Aufstieg in der Gunst der Linux-Community folgte dann aber erst vor wenigen Monaten, und dies "dank" äußeren Faktoren: Die Entscheidung Ubuntus künftig auf die eigene Oberfläche Unity zu setzen, führte zu äußerst gemischten Reaktionen. Während sich manche schnell die Vorzüge der neuen Konzepte für ihren Workflow zu eigen machten, konnten sich andere so ganz und gar nicht damit anfreunden - und dies nicht nur wegen der in er ersten Version etwas mangelhaften Stabilität von Unity.

Mint 11

Da kam Linux Mint natürlich gerade recht: Schnell hatte man sich entschlossen, auf Unity zu verzichten, und so erstmals wirklich signifikant von der Basis Ubuntu abzuweichen. Statt dessen liefert man im Frühjahr mit Mint 11 noch einmal den klassischen GNOME-Desktop der 2.x-Serie aus - konkret die Version 2.32.

Generationswechsel

Doch dieser Weg hat natürlich ein Ablaufdatum, interessiert sich das GNOME-Projekt selbst doch mittlerweile herzlich wenig für die alte Softwaregeneration. Ein wirklich funktionierendes Projekt zur Weiterentwicklung von GNOME 2.x hat sich bislang auch nicht etabliert, zudem ist den Mint-Entwicklerlnnen natürlich klar, dass sie nicht ewig die selbe Desktop-Version ausliefern können. Also prüfte man die eigenen Optionen und kam zu dem Schluss den Sprung auf eine neue Softwaregeneration zu wagen: Unity verweigert man sich dabei weiterhin, statt dessen kommt setzt man auf GNOME3 - allerdings mit einem recht speziellen Dreh, wie sich in Folge noch zeigen wird.

Mint 12

Seit kurzem steht Linux Mint 12 nun offiziell in Varianten für 32- und 64-Bit x86-Rechner zum Download. Das rund 1 GByte umfassende DVD-Image umfasst dabei nicht nur deutlich mehr Komponenten als der Ubuntu-Default-Install, es sind vor allem all jene proprietären Komponenten von Haus aus mit dabei, auf die Ubuntu aus rechtlichen Gründen lieber verzichtet: Also etwa Flash, Java und diverse Audio- und Video-Codecs. Bei der Installation selbst fühlt man sich - jenseits des Mint-eigenen Themes - schnell an Ubuntu erinnert, dies aus einem simplen Grund: Der Installer ist de fakto deckungsgleich mit jenem des Vorbilds.

LightDM

Nach dem ersten Start präsentiert sich zunächst mal der Login-Manager - und damit in diesem Fall LightDM, den auch Ubuntu seit der Version 11.10 der GNOME-Lösung GDM vorzieht. Der Desktop selbst erweist sich hingegen als lupenreiner GNOME3 - und doch auch wieder nicht. Die Mint-EntwicklerInnen haben die Oberfläche nämlich mit einer ganzen Reihe von Erweiterungen für die GNOME Shell umgemodelt, dies mit dem Ziel eine möglichst nah an früheren Versionen liegende User Experience zu erreichen.

Umbauten

Konkret äußert sich dies beispielsweise daran, dass es wie bei GNOME2 ein zweites Panel am unteren Bildschirmrand gibt. Dort ist unter anderem eine optisch etwas aufpolierte Version des von früheren Versionen bekannten Mint-Startmenüs zu finden. Auch eine Taskleiste sowie einen Workspace-Switcher hat man an dieser Stelle platziert. Neu ist hingegen ein eigenes Icon, um den ansonsten versteckten Benachrichtigungsbereich der GNOME Shell aufzurufen.

Shutdown

Im oberen Panel wurde darüber hinaus die Anordnung der einzelnen Komponenten umgeschichtet, mit dem Ziel die Desktop-Uhr wieder nach rechts zu verfrachten. Zudem hat man Icons für die eigene Aktualisierungsverwaltung sowie einen Media-Player an dieser Stelle hinzugefügt. Das von GNOME3 gewohnte "User Menu" übernimmt man soweit, tauscht aber den ansonsten von Haus aus angezeigten "Suspend"-Eintrag gegen "Shutdown".

Die Shell

Jenseits dessen steht zusätzlich aber auch die GNOME Shell wie von Fedora, openSUSE und Co. her bekannt uneingeschränkt zur Verfügung, so kann etwa das Activities Overlay über das linke obere Eck des Bildschirms aufgerufen werden. Allerdings hat man auch hier einige optische Anpassungen vorgenommen. Neben einem eigenen Theme für die Shell wurde die Schrift ausgetauscht und verkleinert, auch die Icons werden nun nicht gar so groß dargestellt. Bei den Fensterrahmen macht man eine zentrale Design-Entscheidung von GNOME3 rückgängig und fügt die Knöpfe für "Maximieren" und "Minimieren" wieder hinzu.

(De-)Aktiviert

Wie erwähnt ist all dies als Erweiterung der GNOME Shell ausgeführt, was auch bedeutet: Über das - mitgelieferte - GNOME Tweak Tool können die Modifikationen mit einzelnen Klicks gezielt wieder deaktiviert werden. Wer also etwa die grafischen Anpassungen der Shell nett findet, aber auf das untere Panel verzichten will, muss nur die richtigen Knöpfe finden. Die meisten Erweiterungen werden dabei im laufenden Betrieb deaktiviert, bei ein paar sollte man dazwischen aber ausloggen, um das Ergebnis wirklich zu sehen. So lässt sich übrigens mit ein paar Handgriffen - und der nachträglichen Installation der offiziellen Desktop-Schrift Cantarell - recht schnell ein Default-GNOME 3.2 herstellen - wenn man das denn mag.

Mate

Alternativ zu all dem bietet Linux Mint 12 aber noch ein weiteres Desktop-Angebot: "Mate" ist eine Abspaltung von GNOME 2.32 und kann einfach über den Login-Screen ausgewählt werden. An einigen Stellen ist zu merken, dass Mate derzeit noch ein "Work in Progress" ist, noch nicht alle Programme entsprechend angepasst wurden. Die bisherigen Änderungen gegenüber GNOME 2.32 halten sich denn auch in sehr engen Grenzen, etwa bei der Änderung der Namen diverser klassischer GNOME-Programme. Insofern bleibt bei Mate vor allem mal abzuwarten, ob sich das Ganze auch langfristig als wirklich funktionstüchtiges Projekt etablieren kann.

Software

Die Softwareausstattung von Linux Mint 12 entspricht weitgehend jener von Ubuntu 11.10, erweitert diese aber um einige zusätzliche Programme. An einigen Stellen fragt man sich dann aber doch, ob man es hier mit den NutzerInnen nicht etwas gar gut meint: So finden sich neben dem offiziellen GNOME-Videoplayer auch der GNOME MPlayer und der VLC auf der Platte - bei anderen Softwarekategorien zeigt sich ähnliches.

Fazit / tl;dr

Linux Mint 12 erweist sich als erste Wahl für all jene, die sich (noch?) nicht mit den neuen Desktop-Konzepten von Ubuntu oder GNOME3 anfreunden können und nicht gleich auf einen ganz anderen Desktop wechseln wollen. Freilich hat das Ganze auch eine Schattenseite: Die Mischung von zwei vollständig unterschiedlichen Desktop-Konzepten in einer Oberfläche ist gelinde gesagt "gewagt". Eine einheitliche Richtung ist hier für die NutzerInnen kaum mehr zu erkennen, ob man der Usabilty der eigenen Software damit langfristig einen Gefallen tut sei dahingestellt. Zumindest ist die Distribution aber auch ein guter "Showcase" für die Flexibilität des Erweiterungssystems der GNOME Shell.

Wozu?

Die Alternative Mate wirkt hingegen derzeit noch etwas unausgereift, dies in Kombination mit vielen Fragezeichen in Bezug auf die langfristige Zukunft des Projekts. Auch will bei der Nutzung die "Wozu?"-Frage nicht so recht aus dem Kopf gehen, sind die meisten an einer solchen Lösung interessierten NutzerInnen doch wohl langfristig besser bei wirklich aktiv entwickelten Desktops wie Xfce oder LXDE aufgehoben.

Rankings

Trotz all dieser Disclaimer ist Linux Mint alleine schon als Phänomen der Linux-Desktop-Welt von Interesse, immerhin hat man es mittlerweile zur Nummer 1 in den Charts bei Distrowatch geschafft. Und auch wenn man solche Zugriffsrankings aufgrund der vielerlei damit verbundenen Problematiken nur begrenzt ernst nehmen - und vor allem keine realen Verbreitungsverhältnisse ablesen - sollte, so zeigt sich damit doch zumindest ein Trend.

Treppenwitze

Zudem hat es natürlich einen gewissen Witz, wenn sich nun ausgerechnet eine Ubuntu-basierte Distribution - nicht gerade zur Freude von Canonical - zum neuen Darling der Community aufschwingt. War doch Ubuntu selbst immer wieder dafür in die Kritik gekommen, sich zwar ausführlich bei anderen Projekten - allen voran Debian und GNOME - zu bedienen - ohne wirklich viel zurückzugeben oder diesen Umstand auch nur groß zu erwähnen. (, derStandard.at, 27.11.11)