Finanzministerin Fekter fürchtet Steuerflucht: "Ein Herr Mateschitz hat genug Geld, seinen Sitz in die Schweiz zu verlegen."

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Finanzministerin Maria Fekter schraubt die Budgetziele höher, als es die Koalition bisher getan hat. "Das Konsolidierungspaket muss pro Jahr drei Milliarden umfassen", sagt die ÖVP-Politikerin im Standard-Interview. Die Regierungsspitzen sprachen bisher stets nur von 1,5 bis zwei Milliarden Euro. Schon 2012 will sie den Kurs verschärfen: Entgegen den ursprünglichen Plänen soll das Defizit unter drei Prozent liegen, bestätigt die Ministerin.

Ansetzen möchte Fekter bei den "Steuergeldverzehrern", etwa bei den Pensionen. Sie fordert höhere Abschläge für Frühpensionen,  "und zwar sofort": Der Deckel, der Verluste beim Übergang vom alten ins neue Pensionsrecht begrenzt, müsse angehoben werden.

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Standard: Frau Ministerin, legen Sie den Österreichern ein Sparpaket unter den Christbaum?

Fekter: Es soll tatsächlich schnell gehen, weil wir wegen der EU-Vorgaben das Defizit flotter abbauen müssen, als wir geplant hatten: Schon im nächsten Jahr wollen wir unter drei Prozent landen. Dafür muss die Schuldenbremse raschest in die Verfassung.

Standard: Wogegen auch ÖVP-Arbeitnehmervertreter protestieren.

Fekter: Dass die schwarzen Funktionäre in der Arbeiterkammer die Sozialisten gelegentlich links überholen, ist leider nix Neues. Ich halte das für eine große Mutlosigkeit und einen Irrtum. Wer die Schuldenbremse nicht will, riskiert höhere Zinsen für unsere Schulden - und schickt das Steuergeld in die falsche Richtung, nämlich zu den Banken.

Standard: Um wie viele Milliarden wollen Sie jährlich bremsen?

Fekter: Das Konsolidierungspaket muss pro Jahr drei Milliarden umfassen. Das sind 0,75 Prozent des Bruttoinlandsproduktes plus die Kosten des Wünsch-dir-Was. Weil wir ja mehr für Unis, Lehrer und Forschung ausgeben wollen, müssen wir das Geld auf der anderen Seite irgendwo einsparen.

Standard: Wo genau?

Fekter: Ich will Strukturreformen, die das Staatsvolumen verringern, und bei den Steuergeldverzehrern ansetzen - zum Beispiel bei den Pensionen. Die Betriebe finden eh schon keine Facharbeiter mehr, und trotzdem schicken wir die Leute in Frühpension. Die Vorschläge der Sozialpartner zur Eindämmung der Invaliditätspensionen sind ein erster Schritt...

Standard: ... der ewig lange dauert.

Fekter: Das ist nicht gesagt. Wir brauchen aber auch höhere Abschläge für Frühpensionen, und zwar sofort: Der Deckel, der die Abschläge beim Übergang vom alten ins neue Pensionsrecht begrenzt, gehört angehoben. Abgestellt werden muss auch, dass der Bund Golden Handshakes gibt: Vier Monatsgagen als Jubiläumsgeld für die Frühpension nach 35 Dienstjahren - das ist absurd! Eine weitere Aufgabe ist die Entwirrung der Finanzierung des Gesundheitssystems.

Standard: Noch so ein Langzeitprojekt. Erst in zwei Jahren will der Gesundheitsminister ein Reformkonzept ausgehandelt haben.

Fekter: Das muss viel schneller gehen. Sinken müssen auch die Zuschüsse für die ÖBB, genauso wie die Subventionen insgesamt, bei denen wir Weltmeister sind. Es gibt - ich irre mich nicht! - 44.000 Förderansätze in dieser Republik, Doppelt- und Dreifachförderungen: ein Dschungel der Sonderklasse, den wir durchforsten müssen. Es braucht einheitliche Richtlinien, Zielvorgaben und Kontrolle - geht es nach mir, könnten wir das nächste Woche beschließen. Und auch im Bildungsbereich galoppieren die Ausgaben davon. Deshalb mein Vorschlag für ein neues Dienstrecht für Junglehrer.

Standard: Zu dem die Gewerkschaft Nein sagt. Werden Sie sich da nicht die Zähne ausbeißen?

Fekter: 20 Prozent mehr Gage bei 30 Prozent mehr Arbeit ist ein faires Angebot, das neu anzustellenden Lehrern zumutbar ist.

Standard: Wenn die ganze EU wie wild spart, wird das Wachstum so stark einbrechen, dass die Budgetdefizite am Ende erst recht steigen.

Fekter: Das kommt darauf an. Um das Konjunkturpflänzchen nicht vertrocknen zu lassen, werden wir bei Investitionsförderungen vorsichtiger sein als bei irgendeinem Körberlgeld und auch die Kaufkraft im Auge behalten.

Standard: Werden Ihre Budgetannahmen angesichts des Konjunktureinbruchs überhaupt halten?

Fekter: Ich glaube, wir werden besser liegen, als die Forscher prognostizieren. Das war immer so.

Standard: Vermögensbezogene Steuern gelten als konjunkturschonend. Können Sie es sich leisten, auf dieses Potenzial zu verzichten?

Fekter: Ich sehe das Potenzial nicht! Man kann jene zehn Prozent der Steuerzahler, die 70 Prozent des Kuchens erwirtschaften, auch vertreiben. Bratislava ist nah, und ein Herr Mateschitz hat sicher genug Geld, seinen Sitz in die Schweiz zu verlegen...

Standard: ...aber auch, um Vermögenssteuern zu zahlen.

Fekter: Der Vermögensverwalter Peter Pühringer, dem das Palais Coburg gehört, hat der Wirtschaftsuniversiät Millionen geschenkt. Nun haben wir ihn in die Schweiz zurückvertrieben. Bevor nicht Strukturreformen paktiert sind, denke ich über Steuererhöhungen gar nicht nach.

Standard: Das tut aber Ihr eigener Parteichef, der einen Solidarbeitrag will. Ist ein höherer Spitzensteuersatz für Sie vorstellbar?

Fekter: Ein höherer Spitzensteuersatz ist für mich nicht akzeptabel. Ein Abschlag von 50 Prozent ...

Standard: ...der wegen des 13. und 14. Gehalts de facto niedriger ist...

Fekter: ... für den Nachbarn oder sonst jemanden, den ich nicht kenne, ist genug. Der Staat soll den Menschen nicht die Freiheit nehmen und sich wie eine Qualle über alles drüberlegen.

Standard: Der Staat gibt ja etwas zurück. Reine Sparpakete sind sozial unfair, sie treffen jene, die auf Staatsausgaben angewiesen sind.

Fekter: Ich sage Ihnen, was ich für ungerecht halte: wenn einem, der 1000 Euro verdient, im Geldbörsel dank Transferleistungen genauso viel bleibt wie jemandem, der 2800 Euro verdient. Ebenso ungerecht ist es, dass Bürger einen enormen Wohlstandsverlust erleiden, sobald sie Kinder haben.

Standard: Die Staaten haben 2008 die Finanzmärkte gerettet und werden nun von denselben für die angehäuften Schulden bestraft. Muss sich die Politik da nicht wehren?

Fekter: Das tut sie auch, indem sie die Finanzmärkte reguliert - mit strengeren Regeln von den Banken bis zu den Derivaten. Der Eindruck, es gehe weiter wie bisher, ist falsch. Das Primat der Politik beginnt zu greifen.

Standard: Österreich ist bei der Schuldenbremse doch gerade den Ratingagenturen nachgehupft.

Fekter: Wir haben ja auch über unsere Verhältnisse gelebt und einen Schuldenberg angehäuft.

Standard: Bis 2007 ist der Schuldenstand gesunken...

Fekter: ...dank der Regierung unter Wolfgang Schüssel...

Standard: ...und dann explodiert. Da kann man dem Sozialstaat doch nicht die Schuld geben.

Fekter: Das sage ich so auch nicht. Die Regierung hat in der Krise klugerweise viel Geld ausgegeben, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Unser Fehler war aber, dass wir dann, als die Konjunktur wieder lief, die Ausgaben zu wenig ambitioniert gebremst haben.

Standard: Sind nicht die Bankenrisiken der wahre Grund, warum unser Triple-A-Rating wackelt?

Fekter: Nein, da wurde mit strengeren Regeln und Kontrollen vorgebaut. Wir haben eine Schuldenkrise, keine Bankenkrise. (Gerald John, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.11.2011)