Trish Eugene (l.) und Patrick Drakes (m.) im Shoppingrausch - es ist Black Friday!

Foto: Khorsand

Nach einem klassischem Thanksgiving Dinner, mit Preiselbeersauce, demütigenden Lebensevaluierungen und angewiderten Diskussionen um die amerikanische "Delikatesse" Turducken (Truthahn gefüllt mit Ente, gefüllt mit Hähnchen), mache ich mich auf dem Weg zu meiner nächsten Ur-Amerikanischen Erfahrung: Der Schnäppchenjagd am Black Friday.

Es ist der Tag nach Thanksgiving, an dem die Geschäfte schwarze Zahlen schreiben, wenn Millionen Amerikaner beim Ausverkauf zuschlagen. Begann Black Friday in der Regel erst in den frühen Morgenstunden am Freitag, startet er seit zwei Jahren bereits Donnerstagabend. Familien verbringen ihren Feiertag in den Warteschlangen von Wal-Mart und Macys um den ersehnten Laptop, Mixer oder Kaschmirpulli für einen Spottpreis zu ersteigern.

In der Green Acres Mall in Valley Stream, einem Außenbezirk von Queens, haben bereits Tausende Donnerstagabend vor dem Elektronikgiganten Best Buy Stellung bezogen.

Trish Eugene wartet seit 48 Stunden auf ihren 42 Zoll LCD-Fernseher. Der Deal ist unschlagbar. 200 Dollar für einen Fernseher, der im Normalfall 700 Dollar kostet. Gemeinsam mit zwei Freunden harrt die 30-jährige seit Mittwochabend vor dem Geschäft aus. Ein Zelt hat sie sich dafür zugelegt, ausschließlich für diesen Feiertag. „Du musst vorbereitet sein, wenn du hierherkommst. Und du brauchst ein Team, das dir den Rücken freihält. Alleine ist es verdammt hart", erklärt sie und schaut mich mitleidig an. Der Subtext ist klar: Du hast hier keine Chance Grünschnabel. Das hier ist ein Schlachtfeld. Fünf Jahre professionelle Schnäppchenjagd haben Eugene zur Veteranin im Black Friday Wahnsinn gemacht. Der Schlussverkauf hat seine eigenen Gesetze und verdammt sei der, der sie nicht verinnerlicht hat. Schon Tage vorher, gilt es sich eine Strategie zu überlegen. Die Angebote werden vorab genau studiert und die Läden mit dem Einkaufswagen im Testlauf abgewandert um die schnellste Route für den Tag X abzuschätzen. Danach heißt es warten.

Jede Warteschlange hat ihre ganz eigene Rangordnung. Es gibt die "Celebrities", wie Trish Eugene, die man beim Namen kennt und die angehimmelt werden weil sie die ersten in der Reihe sind. Dann gibt es die selbsternannten Sheriffs, die Vordrängler so lange öffentlich demütigen bis sich jene kleinlaut hinten anstellen. Und dann wären da noch die Dealer, die in wenigen Stunden einen Schwarzmarkt aufgestellt haben. Die Ware: Eine limitierte Zahl an Coupons, die vom Best Buy Personal an die Wartenden ausgeteilt wird. Nur wer ein derartiges Ticket besitzt, kann sich seines Fernsehers, seiner Kamera oder seines Laptops sicher sein. Im Flüsterton nähern sich die Dealer den glücklichen Besitzern und schwatzen ihnen ihre Coupons für bis zu 100 Dollar das Stück ab.

Black Friday als Festtag des Pöbels?


"Manche halten uns für Freaks", sagt Computerfachmann Patrick Drakes, Trish Eugenes Begleiter. Einige Leute sind an ihm vorbeigefahren und haben ihn als „Proleten" beschimpft, der sich für nichts zu Schade ist, bereit den heiligsten aller amerikanischen Feiertage für einen Fernseher zu opfern. Doch die Zeiten sind hart. Keiner will seine Kinder zu Weihnachten mit lahmen Geschenken überraschen. Da nimmt man die Warterei und das bißchen Geschubse in Kauf. Dass Black Friday weit darüber hinaus gehen kann, beweisen die Todesfälle in den vergangenen Jahren. Beim hiesigen Wal-Mart gleich um die Ecke, wurde 2008 ein Mitarbeiter zu Tode getrampelt. Zu wenig war man auf den Ansturm der Massen vorbereitet.

Dieses Jahr hat der Konzern 150 Sicherheitsleute in der Zweigstelle positioniert. Es ist ein angespanntes Team von Mitarbeitern, die aufgekratzte Einkäufer durch die Gänge lotsen und voreinander beschützen. Ab zehn Uhr abends werden die ersten Angebote frei gegeben, die Plastikfolien niedergerissen und die Ellbogen ausgefahren. „Das ist erst der Anfang", sagt Artell und schaut resigniert auf die Mütter, die lebensgroße Spielpuppen von den gegenüberliegenden Stapeln räumen.

Ein paar Gänge weiter versuchen seine Kollegen zwei Männer auseinander zur bringen, die sich um einen Grill streiten. Wie der Rest der Belegschaft wirkt auch Artell wie ein Helfer bei einem Katastropheneinsatz. Es graut ihm vor Mitternacht, dann wenn der Abverkauf für die Computer, die X-Box und die Kameras losgeht. „Dann bricht hier die Hölle aus", prognostiziert er düster. Auch für ihn ist es ein Schlachtfeld. Er bringt sich in Position für das letzte Gefecht. Solange es dieses Mal keine Gefallenen gibt, war es ein gutes Thanksgiving. (Solmaz Khorsand, derStandard.at, 26.11.2011)