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Unterschiedliche Pferdestärken: Griechenland geht ins fünfte Jahr der Rezession, doch manche Unternehmen haben sich überraschend gut auf die Krise eingestellt. 

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Er hat es kommen sehen. "Wir müssen mit der Abhängigkeit vom griechischen Markt Schluss machen", sagte Evangelos Mytilineos seinen Managern. Das war 2007, drei Jahre bevor Griechenland in der Finanzkrise versank. Mytilineos, einer der wichtigsten Industriellen des Landes, hat seine Holding auf Exportkurs gebracht. Während die Griechen revoltieren und die Regierung in Athen verzweifelt Gehälter kürzt und neue Steuern erfindet, um den Bankrott abzuwenden, steigert die Mytilineos-Gruppe noch ihren Gewinn. Ihr Ergebnis vom Vorjahr, mehr als eine Milliarde Euro Umsatz, hat sie schon in den ersten neun Monaten 2011 erreicht. Und sie ist keineswegs allein.

Es gibt in Griechenland trotz der Krise eine Gruppe von Wirtschaftsbossen, die arbeitet und sehr viel weitsichtiger agiert als ihre Politiker. "Wir sind fünf, vielleicht zehn mit unserer Größe. Es ist nicht genug, um Griechenland den wirtschaftlichen Frühling zu bringen. Dazu bräuchte man kleine und mittlere Unternehmen", meint Mytilineos, ein Mann, der gewohnt ist, im Mittelpunkt zu stehen, aber unprätentiös geblieben ist. Doch große Teile dieses griechischen Mittelstands gehen nun zugrunde, ohne Eigenkapital und ohne Kunden in einem abgebrannten Land. 60 Unternehmen am Tag melden derzeit vor Gerichten Bankrott an, so lautet eine Schätzung.

Bonds

Die Mytilineos-Gruppe dagegen expandiert, baut Gaskraftwerke in der Türkei, produziert Aluminium für die Automobilindustrie, ist gerade zum größten privaten Energieproduzenten Griechenlands geworden. Ihr Kapital, mit dem sie nun durch die Liquiditätskrise der Banken steuert, sicherte sie sich im August 2008, einen Monat vor dem Kollaps von Lehman Brothers. "Andere waren im Urlaub, wir haben einen Bond vorbereitet", erinnert sich Mytilineos. Die Holding konnte eine halbe Milliarde Euro aufnehmen zu einem Zinssatz von 0,85 Prozent. Es sind unwahrscheinlich klingende Geschichten aus einem ruinierten Land.

"Der Kuchen wird kleiner, aber unser Stück wird größer", stellt etwa Chris Kontoveros fest, der wegen der vielen Insolvenzen die Konkurrenten auf seinem Markt verschwinden sieht. Dass die Griechen nun weniger Geld ausgeben, fällt nicht ins Gewicht. Kontoveros führt gemeinsamen mit seinem Vater Griechenlands größten Hersteller von fertigen Fisch- und Meeresfrüchtegerichten. Nikos Koutsianas wiederum öffnet neue Filialen in Japan und China. Der Apotheker hat sich mit Naturkosmetik und Bioprodukten eine einträgliche Nische geschaffen: "Wir liegen total im Trend", sagt der 65-Jährige. Es ist kein Satz, den man heute von einem griechischen Geschäftsmann erwartet.

"Endlich ein Staatsmann"

Die neue, von dem Banker Lukas Papademos geführte Dreiparteienregierung beruhigt die Unternehmer, eine Garantie für die Zukunft ist sie nicht. Er habe Antonis Samaras, dem Vorsitzenden der konservativen bisherigen Oppositionspartei Nea Dimokratia, eine SMS geschickt, erzählt Mytilineos: "Endlich hast du dich als Staatsmann erwiesen." Samaras hatte gerade dem Eintritt seiner Partei in die Regierung der nationalen Einheit zugestimmt. Samaras hat dem Industriellen nicht geantwortet. "Er kennt sowieso meine Ansichten", sagt Mytilineos und holt dann tief Luft: "Griechische Politik ist ein so endloses Durcheinander."

Der 57-Jährige kann erklären, warum Frankreich als Wirtschaftsmacht absteigt und die Eurozone zum Untergang verurteilt ist und dass Merkel eben deshalb ihren Widerstand gegen eine Rolle der EZB als Gelddruckmaschine und Staatsfinanzier schon in den nächsten Wochen aufgeben wird. "Märkte sind wie Wölfe", sagt Mytilineos. "Wenn sie sehen, dass du schwach bist, bringen sie dich um. Das ist ihr Job." Gut findet er das nicht.

Nikos Koutsianas findet das noch sehr viel schlimmer. Der Chef von Apivita und Anhänger des Anthroposophen Rudolf Steiner wird seinen Umsatz von 30 Millionen Euro heuer noch einmal steigern. 14 Prozent mehr Naturkosmetik, Honig und Tee hat Apivita im Vergleich zum Vorjahr exportiert; zugleich beklagt er einen Mangel an Altruismus. Die Mentalität der Griechen habe sich verändert, sagen die Unternehmer übereinstimmend. Passiv seien die Leute in den vergangenen 20 Jahren geworden, glaubt Chris Kontoveros, die Politiker hätten diese Lebenseinstellung begünstigt.

Für Investoren sieht alles anders aus. "Eigentlich gibt es jetzt sehr viele Chancen in Griechenland", sagt Armodios Yannidis, ein Geschäftspartner von Kontoveros und ebenfalls Spross eines Familienunternehmens. 2,5 Millionen Euro haben die beiden in die Pacific Renew Energy gesteckt, die Solar- und Windanlagen vertreibt. Das Unternehmen haben

 (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, Printausgabe, 28.11.2011)