"Verbrechen gegen Journalisten sind nicht Verbrechen der üblichen Art", sagte Roland Bless, Berater der OSZE in Wien, bei einer Expertentagung zur "Sicherheit der Journalisten", die das Außenministerium vergangene Woche veranstaltete.

Die Lage ist ernst. 94 Medienleute mussten heuer bereits ihr Leben lassen. Dazu passt die Tatsache, dass die Aufklärungsquote äußerst niedrig ist. Das heißt: Für Auftragskiller ist das Risiko gering, Journalisten gegen Geld umzubringen. Sicherheitstrainings gibt es bereits in mehreren Ländern, in Kolumbien mittlerweile staatliche Hilfe zur Finanzierung von Bodyguards. Denn, so stellte der Brite William Horsley, Direktor des Zentrums für Medienfreiheit an der Universität Sheffield, fest: Verbrechen gegen Medien sind "Verbrechen gegen die Demokratie". Was Carl-Eugen Eberle, den Präsidenten des International Press Institute (IPI) und früheren Justitiar des ZDF, zu der Forderung veranlasste, einen internationalen Mediengerichtshof zu installieren.

Horsley und Frank La Rue, UN-Experte in Fragen der Meinungsfreiheit, kritisierten die Laschheit vieler Staaten beim Schutz der Journalisten. La Rue: Journalisten hätten einen besonderen Anspruch auf Unterstützung, "weil sie anderen Menschen zu ihrem Recht verhelfen".

Die internationale Expertenschar lobte durchgehend die österreichische Initiative, einen effizienteren internationalen Schutzmechanismus auf den Weg zu bringen. In Österreich selbst geht es, abgesehen von einigen Ausreißern, der Medienfreiheit und den Journalisten selbst relativ gut. Bedrohungen kommen vor. Allein, sie sind selten.

Viele der Teilnehmer an dem Seminar dürften jedoch nicht gewusst haben, dass die Innen- und Justizminister Österreichs seit der Jahrtausendwende in regelmäßigen Abständen versuchen, die Medien- und Meinungsfreiheit durch neue Gesetze einzuschränken. Und damit auch die persönliche Sicherheit der Journalisten zu untergraben.

Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung soll neuerdings nicht nur das "Gutheißen terroristischer Straftaten" verfolgt werden. Das Delikt der Verhetzung wird im Sicherheitspolizeigesetz ebenfalls verschärft. Wer zu "feindseligen Handlungen" gegen Menschen anderer ethnischer Herkunft oder gegen Homosexuelle aufrufe, mache sich strafbar. Solche Personen können sogar überwacht werden.

Der breite Spielraum für Interpretationen durch Polizei und Staatsanwälte kann solche Gesetze in Instrumente gegen kritische Medien verwandeln. Richter und Anwälte sehen das auch so.

Außenminister Michael Spindelegger ist gleichzeitig Vizekanzler und ÖVP-Obmann. Dass er Initiativen setzt wie die geschilderte Tagung, ist das eine. Dass die Ministerinnen Johanna Mikl-Leitner und Beatrix Karl (beide ÖVP) eine Schwächung von Freiheit und Sicherheit der Journalisten zulassen, das andere.

Der Widerspruch ist offenkundig. Weshalb sich Spindelegger zusammen mit der ÖVP-Spitze für eine klare Linie entscheiden sollte. Für die Medienfreiheit, gegen Mechanismen, sie auszuhebeln. (DER STANDARD; Printausgabe, 28.11.2011)