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Krisenstimmung in Islamabad: Proteste gegen den Nato-Angriff, bei dem mindestens 24 Soldaten starben.

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Islamabad drohte mit einem Ende des Bündnisses und blockierte den Nachschub für die Truppen in Afghanistan.

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Islamabad/Neu-Delhi - Erst am Freitag war der Kommandeur der Nato-Truppe Isaf in Afghanistan, General John Allen, in Rawalpindi gewesen, um Pakistans Militärchef Ashfaq Parvez Kayani zu treffen. Es ging um eine engere Zusammenarbeit bei der Grenzkontrolle. Da schien es noch, als würde das Klima besser werden. Doch nur wenige Stunden später kam es zum blutigsten Grenzvorfall seit Beginn des Afghanistankriegs. Aus ungeklärten Gründen bombardierte die Nato Samstagnacht zwei pakistanische Grenzposten und tötete 24 Soldaten, weitere 13 wurden verletzt. Einige Quellen sprachen sogar von 28 Toten.

War es ein unglückliches Versehen? Islamabad ist jedenfalls außer sich. Wenige Tage vor der Afghanistan-Konferenz in Bonn eskaliert damit die Krise zwischen den USA und Pakistan. Pakistan drohte, das Bündnis mit dem Westen aufzukündigen. Man werde alle diplomatische, militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den USA und der Nato auf den Prüfstand stellen, warnte die Regierung nach einer eiligst einberufenen Krisensitzung.

Grenzübergänge geschlossen

Aus Protest schloss Pakistan noch am Samstag die beiden Grenzübergänge Torkham und Chaman und blockierte so den Nato-Nachschub nach Afghanistan. Bisher sollen sich schon über 300 Lastwagen an der Grenze stauen, über 50 Prozent des Nato-Nachschubs läuft über Pakistan. Zugleich befahl Islamabad den USA, binnen 15 Tagen den Stützpunkt Shamsi im Westen Pakistans zu räumen. Von dort soll der US-Geheimdienst CIA auch Drohnen starten. Pakistan hatte dies allerdings schon früher gefordert, ohne dass der CIA dem nachkam.

Hektisch bemühten sich die USA um Schadensbegrenzung und betonten die Bedeutung der amerikanisch-pakistanischen Partnerschaft. US-Außenministerin Hillary Clinton sprach den Angehörigen der Toten ihr "tiefstes Beileid" aus.

Doch so schnell dürfte sich Islamabad kaum beruhigen. "Dies ist ein Angriff auf Pakistans Souveränität" , erklärte Ministerpräsident Yusuf Raza Gilani. Aus Protest bestellte er US-Botschafter Cameron Munter ein. Bereits im Herbst 2010 hatte ein ähnlicher Vorfall die Beziehungen massiv belastet. Damals hatten die USA zwei Grenzsoldaten getötet.

Hintergrund unklar

Es blieb unklar, wie es zu dem Nato-Angriff kommen konnte. Laut Pakistan hatten Nato-Hubschrauber und Kampfjets am Samstag gegen zwei Uhr nachts willkürlich das Feuer auf zwei Kontrollposten in der Nähe des Dorfes Salala im Stammesgebiet Mohmand in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa eröffnet, ohne provoziert worden zu sein. Die meisten Soldaten hätten geschlafen. Der Nato seien die Lagedaten der Militärposten bekannt gewesen, hieß es in Pakistan.

Die Nato räumte ein, dass "höchstwahrscheinlich" Nato-Truppen für den Tod von Soldaten verantwortlich seien, wie ein Sprecher dem Sender BBC sagte. Isaf-Oberbefehlshaber Allen sicherte eine Untersuchung zu. Die Beziehungen zwischen Pakistan und den USA sind seit Monaten gespannt. Pakistan spielt jedoch eine Schlüsselrolle bei der Zukunft Afghanistans. Allein Islamabad wäre in der Lage, die Taliban unter seinem Einfluss an den Verhandlungstisch zu bringen.

Washington verhandelt derzeit mit Kabul über einen Militärpakt, offiziell "Strategische Partnerschaft" genannt. Die USA wollen über den offiziellen "Abzugstermin" 2014 hinaus mindestens noch zehn Jahre Militärbasen und Truppen in Afghanistan behalten. Beobachter meinen, dass Pakistan die US-Pläne missfallen. Seit Tagen gibt es Berichte, dass Islamabad angeblich mit der pakistanischen Talibanguppierung TTP über einen Waffenstillstand verhandelt. (Christine Möllhoff/DER STANDARD, Printausgabe, 28.11.2011)