Der Titel verheißt nichts Gutes: "Die Samenhändlerin" - als wäre es das reichlich krude Sequel zum Fernsehfilm "Die Wanderhure". Die Hauptdarstellerin Henriette Richter-Röhl kennt man aus Telenovela und Daily Soap. Die Handlung folgt konsequent öffentlich-rechtlichen Richtlinien für familientaugliche Abendunterhaltung: eine starke Frau, die sich mit Herz (am rechten Fleck) und Seele (rechtschaffen und tugendhaft) gegen die Zwänge ihrer Zeit behauptet. Dazu die von Intrigantinnen bedrohte große Liebe und reichlich schöne Landschaften.

Natürlich weiß das ZDF, dass niemand solchen Krampf ernst nehmen kann. Wer genau hinschaut, den überrascht der Film mit Selbstironie und Zitierfreude. Die Intrigantin heißt Seraphine Schwarz, sie ist - damit Zweifel gar nicht aufkommen - zumeist schwarz gekleidet und wird gern im "Spieglein, Spieglein an der Wand" gefilmt: eine Märchen-Synthese aus böser Stiefschwester und eifersüchtiger Königin. Wie es sich für kaltherzige Schurkinnen gehört, arbeitet sie vorzugsweise mit Gift. Eindrucksvoll gibt sie die Vergiftungsszene aus Romeo und Julia zum Besten.

Die Samenhändlerdynastie Kerner aus Gönningen wiederum, das sind die Buddenbrooks auf Württembergisch. So ließ sich ganz spaßig Zitate raten. Die Dialoge sind angenehm wenig hölzern, und peinliche Ausreißer wie der handgezeichnete Samen-Katalog mit dem ansprechenden Namen Die Budapest Kollektion kann man auch als Seitenhieb auf unsere Konsumindustrie und ihre schwachsinnigen Produktbezeichnungen verstehen. So hat diese öffentlich-rechtliche Produktion ihren Bildungsauftrag zur Genüge erfüllt. Man muss es nur sehen wollen. (Andrea Heinz/DER STANDARD; Printausgabe, 28.11.2011)