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Im Mittelpunkt der Weltklimakonferenz steht das Bemühen um ein Folgeabkommen für den Kyoto-Vertrag, der Ende 2012 ausläuft.

Foto: EPA/HOW HWEE YOUNG

Durban - Zum Beginn der UN-Klimakonferenz in Durban haben die Inselstaaten eine rasche Einigung auf ein neues Klimaschutzabkommen gefordert. Es sei ihre "moralische und ethische Pflicht", alle Entscheidungen abzulehnen, die nicht ihr Überleben garantierten, erklärte die Allianz der Kleinen Inselstaaten (AOSIS) am Montag. Südafrikas Staatschef Jacob Zuma sagte, die Bekämpfung des Klimawandels müsse mit dem Kampf gegen die Armut einhergehen.

"Warum sollten wir einem Abkommen zustimmen, das langfristig und unvermeidlich unser eigenes Verschwinden zur Folge hätte?", fragte die AOSIS-Präsidentin Dessina Williams in einer kurz vor Beginn der Konferenz im südafrikanischen Durban veröffentlichten Erklärung. Eine Einigung sei "dringend". Die Inselstaaten weigerten sich, bis 2020 darauf zu warten, dass die großen Industriestaaten ein verpflichtendes Abkommen zur Reduzierung ihres Kohlendioxidausstoßes akzeptierten.

Klimawandel und Armut

"Für viele Menschen in den Entwicklungsländern und in Afrika ist der Klimawandel eine Frage von Leben und Tod", sagte Zuma als Gastgeber zur Eröffnung der Konferenz. Die Teilnehmer müssten anerkennen, dass die Lösung des Problems des Klimawandels nicht vom Kampf gegen die Armut getrennt werden könne. Die mexikanische Außenministerin Patricia Espinosa, deren Land die vorherige Konferenz in Cancun ausgerichtet hatte, hatte zuvor betont, Millionen von Menschen hingen von den Entscheidungen der Konferenz ab.

Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre sei niemals höher, die Auswirkung des Klimawandels niemals deutlicher und die Notwendigkeit zum Handeln niemals dringender gewesen als heute, betonte ihrerseits die Leiterin des UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres. Insbesondere den Verletzlichsten müsse signalisiert werden, dass etwas für sie getan werde.

Konferenzeröffnung und Skepsis

In Anwesenheit des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma hat am Montag der 17. UN-Klimagipfel in Durban begonnen. Etwa 20.000 Delegierte, Experten, Politiker, Funktionäre und Journalisten aus rund 190 Staaten werden an der Konferenz teilnehmen. Im Mittelpunkt der zwölftägigen Veranstaltung steht das Bemühen um ein Folgeabkommen für den Kyoto-Vertrag, der Ende 2012 ausläuft. Zudem soll es zu einer Einigung beim sogenannten Grünen Klimafonds kommen. Wie auf Vorgängerkonferenzen beschlossen wurde, sollen von 2020 an jährlich 100 Milliarden Dollar in den Green Climate Fund (GCF) fließen. Woher dieses Geld kommen soll, ist jedoch noch unklar. Diskutiert wird, auch privates Kapital zu mobilisieren und neue Finanzquellen wie Emissionsabgaben auf die Schifffahrt zu erschließen. Zudem soll in Durban die Arbeitsfähigkeit des Fonds hergestellt werden. Vorlagen dafür stoßen aber auf Widerstand der USA.

Experten und Politiker sind insgesamt skeptisch, ob wenigstens ein Fahrplan aufgestellt werden könne, der in absehbarer Zeit zu einem international verbindlichen Abkommen über die Begrenzung der klimaschädlichen Emissionen führt. Vor allem die USA und China scheinen bisher kaum zu weitgehenden Zugeständnissen bereit. In beiden Staaten, die für etwa 40 Prozent der von Menschen verursachten Treibhausgase verantwortlich sind, herrscht die Befürchtung, dass Klimaschutzmaßnahmen Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze gefährden könnten. Zu der Veranstaltung werden keine Regierungschefs aus den wichtigen Industriestaaten erwartet.

Österreich auf EU-Linie

Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) wird ebenfalls an der Konferenz teilnehmen: "Die Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls laufen Ende 2012 aus und es existiert noch kein neues Abkommen. Das heißt, es entsteht eine Lücke nach 2012. Bei den aktuellen Verhandlungen in Durban wird es vor allem darum gehen, wie man diese Lücke im Sinne des globalen Klimaschutzes schließen kann", so Berlakovich. Was die Verhandlungsposition betrifft, segelt Österreich wie üblich auf der akkordierten EU-Linie mit. Deren Eckpunkte: Die EU trage mittlerweile nur mehr elf Prozent der globalen Treibhausgasausstöße mit. Man verlangt ein verbindliches Verhandlungsmandat für ein neues, umfassendes rechtsverbindliches Abkommen von der Klimakonferenz.

Eine vorübergehende Alternative zu einem neuen Abkommen sei eine zweite Verpflichtungsperiode der Vereinbarungen von Kyoto, aber nicht ohne Bedingungen: "Österreich und die EU sind ganz klar offen und bereit für eine zweite Verpflichtungsperiode, aber gleichzeitig sind folgende Punkte unerlässlich: So muss in Durban ein klares Verhandlungsmandat für ein neues, umfassendes und rechtsverbindliches Abkommen zustande kommen und ein Fahrplan erstellt werden - und zwar von allen Staaten", betont der Umweltminister. "Die Bereitschaft der EU allein ist zu wenig, denn sie steht mittlerweile nur noch für 11 Prozent des globalen Treibhausgasausstoßes. China verursacht bereits 21 Prozent und die USA 14 Prozent der weltweiten Emissionen." Die zweite von der EU formulierte Bedingung sei, dass die Umweltintegrität des Kyoto-Protokolls gewahrt bleibt.

CO2 zukaufen

Wenn Österreich - wie anzunehmen ist - seine Klimaverpflichtungen nach dem Kyoto-Protokoll verfehlt, wird die Republik die fehlenden Millionen Tonnen CO2 auf dem freien Markt zukaufen müssen. Dies werde voraussichtlich ab 2014 der Fall sein, sagte Berlakovich. Die Gelder sollen aber durch die Einnahmen aus dem Emissionshandel gedeckt sein, versicherte er. Insgesamt 530 Millionen Euro gibt Österreich zur Stopfung seines Lochs in der Klimabilanz außerdem für "Grüne" Zertifikatszukäufe (JI/CDM) aus dem Ausland aus, wie der Minister einräumte.

Die 600 Millionen Euro, die Österreich für den Ankauf von Verschmutzungsrechten zukaufen muss, sind laut Berlakovich eine vorläufige Schätzung, wie er erneut betonte. Schließlich wisse man noch nicht, wie groß die Lücke auf die Kyoto-Vorgaben sein werden und wie teuer die Tonne CO2 bei dem finalen Zukauf sein wird. Die Summe werde aber zur Gänze aus den Einnahmen aus dem Emissionshandel gestemmt, versicherte der Minister. Dies sehen die Grünen anders: Umweltsprecherin Christiane Brunner zufolge ist dies "eine glatte Falschdarstellung". Ein entsprechender Antrag der Grünen sei im Oktober-Plenum nämlich von Berlakovich und der ÖVP abgelehnt worden.

Die Grünen sehen die Bundesregierung, allen voran Berlakovich, gefordert, sich für eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls einzusetzen. "Die Schlupflöcher im Protokoll müssen geschlossen werden, Geld für Klima und Anpassungsmaßnahmen für die Entwicklungsländer müssen rasch fließen", forderte Brunner.

Schlupflöcher

"Die EU ist zwar bereit, das Kyoto-Protokoll zu unterschreiben, aber nur, wenn auch eine Vielzahl an Schlupflöchern geschaffen wird. Das würde allerdings die ohnehin niedrigen Ziele vollends verwässern", erklärt hingegen Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von GLOBAL 2000, in Durban. "Leider ist Führungsstärke seitens der Industrienationen nicht in Sicht."  Konkret stünden folgende "Schlupflöcher" zur Diskussion: Über die Schaffung von neuen "Kohlenstoffmärkten" soll es möglich werden, noch mehr "CO2-Zertifikate" zuzukaufen, anstatt im Inland wirklichen Klimaschutz zu betreiben. Ein Teil der Verhandlungen betreffe die Bilanzierung von Emissionen aus der Waldnutzung. Hier würden Methoden vorgeschlagen, die nicht die realen Emissionen abbilden und CO2-Emissionen von bis zu 450 Millionen Tonnen CO2 verstecken könnten. "CO-Emissionen in den Bilanzen zu verstecken hilft leider dem Klima gar nichts und ist daher abzulehnen", stellt Wahlmüller fest.

In einigen Staaten, vor allem in Osteuropa, hat sich eine Menge "heißer Luft" angesammelt. Gemeint sind große Mengen an Überschusszertifikaten, die diese Staaten halten. "Wir fordern Umweltminister Berlakovich auf, sich unmissverständlich dafür einzusetzen, dieses Schlupfloch zu schließen", so Wahlmüller. Zusammengenommen passen in diese "Schlupflöcher" fast die gesamten bestehenden Zusagen der Industriestaaten. "Das bedeutet, dass die Industriestaaten - inklusive der EU - hier in Wahrheit wenig mehr als Nichts anbieten, dafür aber ihrerseits von den Entwicklungsländern rechtlich verbindliche Reduktionsziele fordern. Wie dieses Angebot aufgenommen wird ist absehbar, denn immerhin haben sich die Industrienationen schon in Bali 2007 dazu bereit erklärt, ein Nachfolgeabkommen für Kyoto zu unterzeichnen. Jetzt will man davon nichts mehr wissen oder stellt harte Bedingungen", kritisiert Johannes Wahlmüller.

Entwaldung stoppen

Die weltweite Entwaldung ist ebenfalls Thema der Konferenz. Sie könne bis 2020 gestoppt werden, wenn heute die Voraussetzungen geschaffen werden, so der WWF. Das dritte Kapitel der WWF-Studie "Living Forests Report" hat berechnet, dass bereits bis 2020 mehr als eine halbe Million Quadratkilometer Wald verloren gehen. Der Verlust der Wälder bis 2030 würde mehr Emissionen freisetzen als der gesamte Verkehr in der Welt. Um dies zu verhindern, sind bis 2020 finanzielle Aufwendungen von 30 bis 50 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen und privaten Geldern notwendig, so der WWF.

"Die Kosten durch den Klimawandel würden ein Vielfaches ausmachen", warnt der Österreicher Gerald Steindlegger, politischer Direktor der Wald- und Klimainitiative des WWF International, heute in Durban. Beim Waldschutz geht es nicht nur um die Lebensgrundlagen der Menschen und den Schutz der Artenvielfalt. Vor allem bedeutet Waldschutz auch Klimaschutz, denn die Abholzung der Wälder macht nahezu ein Fünftel der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Ohne wirksamen Waldschutz, wie er auf der laufenden UN-Klimakonferenz in Durban beschlossen werden soll, würden bis 2030 24 Gigatonnen CO2 freigesetzt werden, so der neue WWF Bericht. "Das entspricht einer Menge, die größer ist als alle Emissionen des weltweiten Verkehrs", warnt Steindlegger. "Die Pflanzung von neuen Wäldern zum Ausgleich des Waldverlustes ist keine Lösung. Die jungen Bäume würden frühestens 2040 so viel Kohlenstoff speichern um diese Menge wett zu machen. Das ist für das Weltklima viel zu spät."

Schlüsselstellung

Die UN-Klimakonferenz COP 17 in Südafrika habe beim internationalen Waldschutz eine Schlüsselstellung. Der WWF ruft die Regierungen der Welt auf, die notwendigen finanziellen und technischen Mittel zur Verfügung zu stellen. Dabei sollen die Industrieländer ein Finanzierungsmodell vorlegen, nach dem die Entwicklungsländer für den Erhalt ihrer Wälder bezahlt werden. "Ohne ein ausreichend dotiertes Instrument (REDD+) kann ein vollständiger Stopp der globalen Entwaldung nicht erreicht werden", so Steindlegger. "Der WWF weiß, dass diese Verhandlungen sehr komplex sind. Ohne Entscheidungen beim Waldschutz in Durban sind die Menschheit und die Artenvielfalt auf unserem Planeten in Gefahr, denn das Abholzen der Wälder beschleunigt den Klimawandel enorm. Die Regierungen dürfen sich bei ihrer Entscheidung nicht von technischen Detailfragen ablenken lassen."

Mit dem Ziel des Stopps der Entwaldung bis 2020 wäre die Grundlage geschaffen für einen wirksamen internationalen Waldschutz. Im Detail geht es bei den Verhandlungen in Durban um nachhaltige Landnutzung, Rechtssicherheit, genaue Kontrollen und um ein transparentes und durchsetzbares Waldmanagement. Auch die Märkte für Holz- und Landwirtschaftsprodukte müssten nach nachhaltigen Kriterien gestaltet werden. Besonders wichtig seien hier die Wahrung der Rechte von indigenen Völkern und der lokalen Gemeinden. (APA/red)