Sie hätten sich getrennt, die Therapeuten

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Wie es denn der Beziehung ginge, fragte ich heuer im Frühjahr eine Freundin, ohne sicher zu sein, ob ich die Antwort hören wollte. Immerhin ging es bei denen in den Monaten zuvor bergab mit der Zuneigung. Und eigentlich auch Geduld miteinander. Man hielt sich jedoch wacker, Kinder waren da. Die Trauer über die flöten gegangenen Gefühle bestimmte seit langem das Familienleben.

Doch ihre Antwort war überraschend. Spitze, meinten sie. Die Beziehung wäre jetzt sozusagen outgesourced. Also ausgelagert, in diesem Fall bei einem Psychologenpärchen. Sehr fortschrittlich so ein Doppel, so kommen auch in den Gesprächen keine Zweifel auf, ob der oder die Expertin nicht vielleicht der üblichen geschlechtsspezifischen und natürlich dann falschen Eindrücken erliegt und man erst recht überbleibt.

Dort konnte man sich erleichtern, jeder durfte sagen was er wollte. Nichts war falsch. Der eine oder andere Ansatz zum Flicken der Beziehung wurde erarbeitet. Immer unter der Anleitung des Therapeutenpärchens. Ich war erstaunt, plötzlich kamen wieder Verständnis und Respekt für den anderen aufs Tapet. Dinge wie "Sie konnte sich nur gehen lassen, es war der Protest gegen meine Dominanz!" "Er war gezwungen, sich zwischenzeitlich bei jemandem anderen vermeintlich wohler zu fühlen, als Zeichen der Auflehnung gegen meinen Liebesentzug." "Sie hatte Stress." "Er war gestresst." Ah, naja, okay, wenn‘s hilft - sehr super! Sie wirkten wieder rosiger miteinander und ich begann meine allgemeine Therapeutenaversion zu bezweifeln.

Sommerurlaub

Dann kam der Sommer. Man traf sich zum Grillen und Schwimmen und was man halt so tut, damit man an viele weiße Spritzer rankommt. Mit den Wochen fiel mir auf, dass der Ton zwischen ihnen wieder harscher wurde. Vorwürfe flatterten durch den Raum. Er zeltete dann sogar alleine mit den Söhnen. Sie strich den gemeinsamen Badeurlaub in Spanien. Ich fragte nach, was denn eigentlich mit ihrem Outsourcing passiert wäre. Naja, die Therapeuten hätten Sommerurlaub. Und alleine könnten sie's gerade noch nicht gut halten. Sie bräuchten die wöchentliche Rückversicherung des anderen Pärchens. Au weh', dachte ich, die funktionieren jetzt quasi als Kommune, nur mit dem anderen Paar als Spiegel. Das wird teuer, wenn die das ganze Leben so durchziehen müssen. Zweimal in der Woche, à zwei Stunden Sitzung, das ist bald einmal ein Zweitwohnsitz oder sowas. Dennoch, sie beschlossen, es in den Herbst zu schaffen und mit ihren Sitzungen weiterzumachen.

September wurde es, dann Oktober. Nein, sie hätten noch keine Termine bekommen, die Therapeutenpraxis läge aus unerfindlichen Gründen auf Eis. Und dann, letzte Woche, kamen die beiden zum Essen. Die Verzweiflung war weg, sie strahlten wieder. Sie hatte sogar diese markanten Flecken am Hals. Die kannte ich noch aus der gemeinsamen Studienzeit, die hatte sie vom Sex. Na, die Gesprächsrunden waren wohl wieder eingeleitet, feixte ich.

Im Gegenteil. Sie hätten sich getrennt, die Therapeuten nämlich! Die Praxis bleibe geschlossen. Meine Freundin traf irgendwann den Therapeuten zufällig in einer Bar. Dort erläuterte er ihr whiskeygeschwängert, wie schlecht die Weiber seien. Seine Frau wäre mit einem jungen Mann in ein Nachbarland abgehauen. Die Kinder blieben bei ihm. Ihm wäre es recht, er hätte der Schnepfe keinen Moment länger zuhören können, am wenigsten, wenn sie in den Therapiesitzungen armen bedürftigen Paaren Hoffnung ums Maul gesabbelt hätte. So oder so ähnlich äußerte er sich, der Herr Doktor.

Und was genau daran machte meiner Freundin und ihrem Partner so gute Laune und Sexflecken an den Körper? Doch, das war schon die Therapie. Sie wären übereingekommen, wenn sie monatelang seelengestrippt hatten, vor zwei Menschen, deren Beziehung schon im Zersetzungsprozess war, was ja wohl sicher in der Tendenz auch in den gemeinsamen Sitzungen untergründig zu spüren war und sie immer noch nicht getrennt seien - dann ist der Keim der Zusammengehörigkeit noch nicht ganz vermodert. Sie hätten es alleine geschafft und das gäbe ihnen Kraft füreinander.

Also ganz habe ich‘s nicht kapiert, aber ich gratulierte herzlich. Selber zamstreiten tut gut. (derStandard.at, 28.11.2011)