Sigmund Freud (Christian Spatzek) als dozierender und oder auch angstgeplagter Mensch.

Foto: Barbara Palffy

Wien - Es liegt sicher nicht an der Nase. Der Grund, warum so viele Autoren, Filmemacher und Dramaturgen sich unbedingt ihr eigenes Bild von Seelenanalytiker Sigmund Freud machen wollen, ist eher ein hoch psychologischer:

Wenn er schon so gut über unsere innersten und tiefsten Befindlichkeiten Bescheid wusste - dann wollen wir gefälligst auch alles über ihn wissen. Sigmund Freud soll aufhören, Statue zu sein - und Mensch werden.

Genau das bringt Brigitte Swoboda in ihrer Inszenierung des Ein-Mann-Stückes Freuds Neurosen von Helmut Korherr im Hörsaal des 3Raum-Anatomietheater zuwege: Die Legende Sigmund Freud (Christian Spatzek) tritt uns hier buchstäblich auf Augenhöhe entgegen.

Konkret: Das Stück umfasst seine zahlreichen Aussee-Aufenthalte von 1896 bis 1930 und Ausschnitte aus den "Ausseer Notizen": "Darm entleert. Leichte Herzzustände, doch überhaupt keine Nasenbeschwerden mehr ...", berichtet da die Koryphäe der Psychoanalyse. Christian Spatzek gibt dabei - mit beeindruckender Präsenz - den Doktor als Nerverl, das nicht zu knapp von Todesängsten und Zukunftssorgen geplagt wird.

Zur Selbstanalyse legt Freud sich - dabei im beigen Leinenanzug die Zigarre lässig um den Hals hängend - gerne auf seine mitgebrachte rosa Matte mit Teppichmuster. Hinter ihm zeigen an die Wand projizierte Skizzen, was er sich denn gerade so vorstellt - lustige Penis-Nasen beispielsweise.

Pianist und Klezmer-Kenner Roman Grinberg sorgt hier für die musikalische Begleitung. Und: Sein Spiel bleibt unaufdringlich, hält zugleich den jüdischen Hintergrund immer unterschwellig präsent. Wenn es um Antisemitismus geht - oder natürlich um seine Arbeit - dann nimmt Freud auch richtig Fahrt auf.

Dann läuft er dozierend im Auditorium herum, wird zum mitreißenden, aber halt auch ein bisschen selbstgefälligen Professor. Man muss schmunzeln über ihn, nie aber wird er in diesem Stück lächerlich gemacht. Nur ein bisschen menschlicher. (Andrea Heinz, DER STANDARD - Printausgabe, 29. November 2011)