Bild nicht mehr verfügbar.

Die USA haben in Pakistan keinen guten Ruf.

Foto: Khalid Tanveer/AP/dapd

Die beiden Grenzübergänge Chaman und Torcham werden von Pakistan blockiert. Die Flugbasis Shamsi soll in den nächsten 15 Tagen von den Amerikanern geräumt werden.

Grafik: derStandard.at/StepMap

Bild nicht mehr verfügbar.

Viele, viele LKWs der NATO warten am Grenzübergang Chaman.

Foto: Shah Khalid/AP/dapd

In einer Woche findet am Petersberg in Bonn die große Afghanistan-Konferenz statt. Die Tagung mit vielen hochrangigen Teilnehmern droht nun vom blutigsten Grenzzwischenfall seit Beginn des Krieges überschattet zu werden. Die NATO hatte am Wochenende zwei pakistanische Grenzposten bombardiert. Dabei kamen 24 pakistanische Soldaten ums Leben. „Die Situation ist sehr kritisch. Sowohl die amerikanisch-pakistanischen als auch die afghanisch-pakistanischen Beziehungen sind indirekt betroffen", sagt Thomas Ruttig zu derStandard.at. Der Deutsche ist Experte für die Region Afghanistan/Pakistan (AfPak) und Co-Direktor des unabhängigen Think-Tank Afghanistan Analysts Network.

Als Reaktion auf den Angriff der USA hat Pakistan zwei für Afghanistan wichtige Grenzübergänge, Chaman und Torcham (siehe Karte links), gesperrt. Vor allem die NATO bekommt über diesen Weg Lieferungen. Mehrere hundert LKWs mit Gütern, die für die NATO bestimmt sind, warten an der Grenze. Für Ruttig, der zehn Jahre in Afghanistan und Pakistan arbeitete, ist das pakistanische Verhalten nicht verwunderlich: „Die Pakistanis fühlen sich aus ihrer Sicht sowieso von allen Seiten bedrängt." Die Versorgungslage in Afghanistan sei aber nicht kritisch. Es gebe Angaben, dass schon jetzt bis zu 60 Prozent aller Güter über den Norden kommen, wo es eine zweite Lieferkette gibt. „Außerdem können Waren auch noch eingeflogen werden." Trotzdem müsse man beachten, dass Afghanistan ein Binnenland sei und Importe notwendig sind.

Eine zweite Drohung Pakistans betrifft die Flugbasis Shamsi im pakistanischen Grenzgebiet. Von dort startet die CIA ihre Drohnenangriffe. Pakistan forderte die USA auf, die Basis innerhalb von 15 Tagen zu räumen. Ruttig glaubt nicht, dass „der Stützpunkt geräumt wird. Die Drohnen sind Kern der Strategie der USA." Zudem haben sich die USA auch nicht an frühere Forderungen gehalten, die Drohnenangriffe abzustellen.

Der Krieg eskalierte

„Seit 2009 erleben wir eine Eskalation dieses Krieges, die durch Präsident Obama und die Weiterführung der Bush-Politik ausgelöst wurde." Die Truppen wurden mit dem Ziel aufgestockt, die Taliban durch verstärkten militärischen Druck zu Verhandlungen zu zwingen. „Das ist gescheitert", meint Ruttig. Die Taliban hätten ihre Taktik verändert, greifen mehr aus dem Hinterhalt bzw. verdeckt an. Diese neue Vorgangsweise der Taliban sei sehr effektiv: „Es gibt mehr Tote, als bekannt wird. Die Taliban beeinflussen in der Fläche mehr als die USA oder die afghanische Regierung." Mit den Taliban sei es so wie das Beispiel mit dem mit Wasser gefüllten Ballon: „Wenn man dort irgendwo reindrückt, kommt es anderswo raus. Die Taliban weichen einfach aus, sie sind sehr mobil."

Bei der Konferenz am kommenden Montag in Bonn, wo die Staatengemeinschaft debattiert, wie es in Afghanistan weitergehen soll, sind trotzdem schon einige Punkte fixiert. So haben schon die meisten Länder zugestimmt, auch über 2014 hinaus den Transitionsprozess in Afghanistan zu begleiten. Diese Versprechen müsse man aber mit Vorsicht genießen, sagt Ruttig. „Natürlich kann man diese Zusagen jetzt schon machen. Aber kein Parlament dieser Welt kann heute schon zusagen und erklären, wieviel Geld 2014 und darüber hinaus bereitgestellt wird." (flog, derStandard.at, 28.11.2011)