Und wieder einmal verkennen alle die Genialität, von der die Medienpolitik des Bundeskanzlers durchtränkt ist. Ehrlich, wer kräht schon nach dem Facebook-Auftritt Spindeleggers, wenn er es überhaupt zu einem solchen gebracht hat? Der des Kanzlers hingegen ist in aller Munde, und man kann die Hand dafür ins Feuer der allgemeinen Begeisterung legen, dass es ihm nicht besser als seinem Vize ergangen wäre, hätte er sein soziales Netz von Anfang an in Eigenregie geknüpft. So aber: Was ihm diesbezüglich allein in den letzten Tagen an medialer Aufmerksamkeit zuteil wurde, hätte er selbst aus seinem Inseratenbudget nicht finanzieren können. Der Chefredakteur eines Massenblattes im Abgang, die Kolumne des Starjournalisten eines anderen Massenblattes aus dem Blatt geflogen und erst am zweiten Tage wieder auferstanden – jetzt fehlt nur noch der Rücktritt von Laura Rudas. Ein wenig Geduld, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Typisch "Kurier", wie man dort die Situation wieder einmal verkannte. Tragisch, dass es die SPÖ nötig hat, Fans für den Kanzler zu erfinden, klagte am Donnerstag eine Leitartiklerin, in völliger Fehleinschätzung sozialdemokratischer Medienstrategie. Diese offenbart Werner Faymanns Verständnis von Politik: Werde ich nicht ob meines Wirkens gewürdigt, kaufe ich mir das Lob eben ein - als ob daran etwas unethisch wäre, solange es nicht auf eigene Kosten geschieht. Dass man mit gekauftem Lob nur falsche Freunde anziehe, fällt werbetechnisch unter plattes Moralisieren, von dem die Verfasserin rasch ins Volksliedhafte abgleitet: Nur wahre Freundschaft wankt auch an Wahltagen nicht.

Als Nebenprodukt von Faymanns erfolgreichem Facebook-Auftritt erwies sich Aufklärung darüber, wie unterschiedlich in der Familie Dichand auf journalistische Sauberkeit geachtet wird. Da will Michael Jeannée zur Unterstützung des Kanzlers ausrücken und schreiben: Lieber Werner Faymann, vor drei Wochen hörten Sie wieder einmal (zu viel) auf Laura Rudas und wagten sich mit einem Kanzler-Facebook in den Internet-Dschungel mit seinen gefährlichen Fake-Fallen, giftigen Twitter-Termiten und bösartigen YouTube-Taranteln.

So etwas ist leicht dahingeschrieben, umso rascher rastete die für die "Krone" charakteristische journalistische Selbstkontrolle ein, schließlich ist die Richtung der Zeitung die Vielfalt der Meinungen ihres Herausgebers und der Redakteure. Der Autor berichtete dem "Standard": "Es gab eine Diskussion. Der Chefredakteur war nicht im Haus. Es ging nicht um eine Formulierung, sondern darum, ob es stimmt, dass Frau Rudas für den Social-Media-Auftritt verantwortlich ist." Dass es bei Jeannée nicht um eine Formulierung gehen konnte, ist in Kenntnis seiner Formulierungsgabe glaubhaft, dass es nur um die Verantwortung von Laura Rudas gehen sollte, weniger. Aber dann: "Beim Nachrecherchieren stellte sich heraus, dass das stimmt. Es wurde" – Triumph der journalistischen Freiheit – "nicht ein Komma geändert", weshalb die Geschichte vom Kanzler in Lauras Fake-Falle zwei Tage später so wie oben zitiert erscheinen durfte. Samt Anhang, in dem der unzensurierte Autor vom Kanzler kantiges Handeln verlangte, und das wäre: sofortige Schließung des Kanzler-Facebooks, auf die Internet-Müllhalde mit dem Mist.

Ganz anders erging es dem Chefredakteur von "Heute", der annähernd dieselbe weltfremde Einschätzung vertrat und daraufhin seinen Abgang nach Deutschland aus privaten Gründen bekanntgeben durfte. Verdächtigungen, es gäbe einen Zusammenhang, werden demnächst ausgeräumt. Der "Presse" versprach Eva Dichand: "Wir versuchen herauszufinden, woher diese seltsamen Gerüchte kommen." Der Versuch kostet nichts.

Solche Vorfälle konnten nicht ohne Wirkung auf das tb – Team Bundeskanzler – bleiben. Freitag meldete "Die Presse", wie die Social-Media-Beauftragte des Kanzlers die Kritik aufnahm: Wir sind die Sache sicher zu bürokratisch angegangen, man hat uns auch schon Humorlosigkeit vorgeworfen. Wie ungerecht! Aber: Ich hoffe und glaube auch, dass sich die User an unsere Art der Facebook-Gestaltung gewöhnen.

Keine Chance, denn laut "Presse" vom Samstag gibt es dramatische Änderungen: Jetzt postet Faymann lieber selbst. Oder zumindest: Seit gestern schreibt er auf Facebook in Ichform. Oder unbürokratisch: Er geht mit selbst verfassten Postings in die Offensive. Schluss mit Humorlosigkeit! Freunde in Scharen sind ihm sicher, vielleicht sogar echte. Wenn Laura Rudas dafür sorgt. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 29.11.2011)

Der Standard, Dienstag 29. November 2011, Seite 33 (Kommunikation) Und wieder einmal verkennen alle die Genialität, von der die Medienpolitik des Bundeskanzlers durchtränkt ist. Ehrlich, wer kräht schon nach dem Facebook-Auftritt Spindeleggers, wenn er es überhaupt zu einem solchen gebracht hat? Der des Kanzlers hingegen ist in aller Munde, und man kann die Hand dafür ins Feuer der allgemeinen Begeisterung legen, dass es ihm nicht besser a