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Foto: REUTERS/Cherokee County Sheriffs Dept./Handout
Auf den Fahndungsfotos des FBI wirkt Eric Robert Rudolph wie der Prototyp des "All-American boy": 1,80 Meter groß, blaue Augen, kantiges Gesicht. Am Montag, als er vor Gericht geführt wurde, wirkte er weniger freundlich. Unter zusammengekniffenen Augenbrauen starrte der hagere Schnauzbartträger finster auf die Reporterscharen, die einen Blick auf den mutmaßlichen Olympia-Attentäter von Atlanta erhaschen wollten.

Fünf Jahre lang war der am 19. September 1966 geborene Rudolph vor dem FBI auf der Flucht gewesen. Insgesamt viermal soll der 36-Jährige Bombenanschläge begangen haben: Neben der Explosion in Atlanta 1996 soll er in den beiden darauf folgenden Jahren für Attentate auf zwei Abtreibungskliniken und ein Schwulenlokal verantwortlich sein. Über die Nummerntafel eines Trucks konnte die Verbindung zu Rudolph hergestellt werden.

Bald vermutete die Bundespolizei, dass sich der gelernte Zimmermann in den ausgedehnten Wäldern seines Heimatbezirkes im US-Bundesstaat North Carolina versteckt hält. Mit mehreren Hundertschaften rückte das FBI vor fünf Jahren aus, um den Flüchtigen zu stellen. Bei den Einwohnern stießen die Ermittler auf Misstrauen und teils offene Ablehnung.

Der Grund laut Medienberichten: Die Landbevölkerung war zwar nicht mit Rudolphs Methoden, sehr wohl aber mit seinen Ansichten einverstanden. Diese Ansichten waren ein wüstes Konglomerat aus Antisemitismus, White-Supremacy-Ideologie und Hass auf die staatlichen Institutionen. Zumindest für den letzten Punkt scheint Rudolphs Exschwägerin eine Erklärung zu liefern: Erics Vater starb 1981 an Krebs, die Mutter und ihre sechs Kinder waren davon überzeugt, dass ein in den USA verbotenes Medikament ihn hätte retten können.

Das Weltbild des Schulabbrechers war rechtsextrem. Rudolph verdammte Abtreibungen, leugnete den Holocaust und schimpfte über Homosexuelle, besonders nachdem er erfuhr, dass einer seiner eigenen vier Brüder schwul war. Wann genau er den Plan für die Anschläge, bei denen zwei Menschen getötet und über 150 verletzt wurden, fasste, wird nun das Gericht klären müssen.

Bei den Einheimischen in North Carolina erfreute sich Rudolph während seiner fünfjährigen Flucht jedenfalls ungebrochener Popularität. Auf den Straßen wurden T-Shirts mit dem Aufdruck "Run, Rudolph, Run" verkauft. Das FBI untersucht nun, ob er von den Einwohnern auch mit Nahrung und Informationen versorgt worden ist.

Das Ende seiner Flucht am vergangenen Wochenende war übrigens eher unspektakulär: Ein Streifenpolizist verhaftete ihn hinter einem Supermarkt, weil er ihn für einen Einbrecher hielt. Erst auf dem Revier wurde er identifiziert.(Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 3.6.2003)