Kein Wunder, dass die EU in den Augen vieler ein überdimensionierter Bazar ist, in dem um alles Mögliche gestritten und gefeilscht wird, nur nicht um gemeinsame vernünftige Interessen. Exemplarisch zeigt dies der Dauerstreit um die Besteuerung von Zinserträgen. Italien blockiert seit Monaten das von den EU-Finanzministern bereits ausgehandelte Paket, durch das Steuerhinterziehung verhindert werden soll.

Zuerst waren es Österreich, Belgien und Luxemburg, die jahrelang wegen ihres Bankgeheimnisses die neue Richtlinie verhindert haben. Dies war noch ein wenig erklärbar, da durch die Richtlinie das Bankgeheimnis betroffen ist. Rom legt allerdings sein Veto wegen einer völlig sachfremden Materie ein. Italien will erreichen, dass seine Bauern weniger Strafe für die Überschreitung ihrer Milchquoten zahlen müssen. Vorausgesetzt, die Gemeinsamkeit erschöpft sich nicht auf den Tatbestand der missbräuchlichen Verwendung öffentlicher Gelder, erhebt sich zu Recht die Frage, was ausländische Zinserträge mit Milchquoten zu tun haben.

Überaus ärgerlich ist, dass die EU an diesen Ungereimtheiten weiter festhalten will. Die vom Präsidium des EU-Konvents vorgelegten Artikel über die Wirtschafts- und Finanzpolitik der künftigen EU-Verfassung sichern den Mitgliedstaaten weit gehend ihre bisherigen Zuständigkeiten und Vetorechte zu. Während alle direkten Steuern grundsätzlich nicht harmonisiert werden dürfen, können die Mehrwert- und die sonstigen indirekten Steuern nur dann angeglichen werden, wenn damit das "Funktionieren des Binnenmarkts" gesichert und "Wettbewerbsverzerrungen" vermieden werden. Doch auch dann muss der Ministerrat einstimmig entscheiden. Womit das Europa der unsinnigen Njets weiterlebt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.6.2003)