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Wien - Die orientalischen Studien, als "Orchideenfächer" von manchen bewundert, von manchen verachtet, blühen und gedeihen in Österreich, auch nach dem im Herbst 2000 verkündeten Diktum von Finanzminister Karl-Heinz Grasser: "Das brauchen wir nicht." Unter diesem Aspekt ist es dann aber doch erstaunlich, wenn in Wien ein neues Institut für Iranistik eröffnet wird, geschehen soeben an der Akademie der Wissenschaften. Dass nach den vielen Irak-Aufmachern der letzten Zeit es jüngst auch Iran - als angebliches nächstes Ziel eines US-Militärschlags - in einen Titel der Kronen Zeitung geschafft hat, zeigt den hohen Stellenwert des Nahen und Mittleren Ostens im heutigen Alltagsdiskurs.

Der Direktor des neuen Iranistik-Instituts, Bert Fragner, sieht sich denn auch als alles andere als einen Orchideenzüchter im Grasserschen Sinne. Sein Institut werde sich mit "iranisch geprägten Kulturen zwischen Tradition und Modernität" beschäftigen, fasst er das Thema regional weit, das heißt, keine Beschränkung auf die iranische Nationalgeschichte und auch keine Scheu vor auf die Moderne orientierten Fragestellungen - Letzteres wirft man den Orientalisten ja immer wieder vor.

Fragner selbst hat sich während seiner ganzen Wissenschaftskarriere immer wieder mit gegenwartsbezogenen Fragen befasst - und auch gerne mit kulturhistorischen Themen und anthropologischen Aspekten der Geschichte (etwa der orientalischen Küche oder besser der Dekonstruktion dieses Begriffs) - und bemüht sich nach eigener Aussage, Journalisten, die ihn zu aktuellen Vorgängen in "seiner" Region befragen, die Themen "über den Slogan hinaus" plastisch zu machen.

Der Iranist Bert Fragner ist mit diesem Posten nach 32 Jahren wieder nach Österreich zurückgekehrt. Er studierte in Wien, Freiburg und Teheran, war Professor in Berlin und ab 1989 in Bamberg, wo damals ein völlig neues OrientalistikInstitut aufgebaut wurde, "gegenwarts- und anwendungsbezogen". Auf den Kontakt mit iranischen wissenschaftlichen und kulturellen Institutionen wurde größter Wert gelegt, das soll auch für Wien gelten.

Das "Wunder" (so nennt es Fragner) der Institutsgründung, die - dem gegenwärtigen Trend zu den direkt an die Wirtschaft angebundenen Fächern widersprechend - über Österreich hinaus Aufsehen erregt, wurde im Sommer 2001 eingeleitet, als das Präsidium der Akademie der Wissenschaften die Absicht verkündete, die frühere "Iranische Kommission" auf Institutsniveau anzuheben.

Die Entscheidung für Iran als Studienrichtung des neuen Instituts bezeichnet Fragner als "Pragmatik auf höherer Ebene": Die Iranische Kommission in der Akademie war als Basis bereits vorhanden, und die Iranistik ist im universitären Bereich in Österreich am wenigsten abgedeckt (am Institut für Orientalistik an der Universität Wien gibt es Arabistik, Turkologie, Altorientalistik - und übrigens ab Herbst erstmals einen Professor für Islamwissenschaften, Rüdiger Lohlker, der von Göttingen nach Wien kommt).

Aus der Iranischen Kommission - die seit Jahren mit der Erstellung des "persischen Personennamenbuchs" befasst ist, einem Projekt, das das neue Institut weiterführen wird - wurden drei wissenschaftliche Mitarbeiter übernommen, weitere drei werden gerade durch ein Auswahlverfahren ausgesucht: Die Bewerber haben Projekte eingereicht, die Sieger bekommen einen Vertrag für ein Jahr, der für weitere zwei verlängerbar ist - wenn das "Output" stimmt, wie Fragner sagt, der sechs, sieben der über ein Dutzend eingereichten Projekte als sehr interessant bezeichnet. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.6. 2003)