Ein Lehrstück
Diese Klage ist ein Lehrstück dafür, wie die WTO demokratische Abläufe ab absurdum führen kann: Der gesellschaftliche Fast-Konsens in Europa, dass Gentech-Saatgut noch nicht genug erforscht ist um breit zugelassen zu werden, wird auf Druck der Agro-Multis über die Hintertür WTO gekippt. Da hilft kein Volksbegehren und kein Diskussionsprozess, und keine gewählte Regierung kann dagegen an.
Denn nach WTO-Regeln ist Saatgut gleich Saatgut – egal, wie es hergestellt wurde. Es gibt nur einen Grund für ein Importverbot, der vor der WTO hält: Wissenschaftlich nachgewiesene Schädlichkeit für die Gesundheit.
Keine Langzeitstudien
Doch Gentechnik ist zu neu, als dass es Langzeitstudien über die Folgen gäbe. Schon beim Streit um hormonbehandeltes Fleisch aus den USA konnte die EU die Schädlichkeit nicht wissenschaftlich nachweisen – sie bekam dafür vom WTO-Schiedsgereicht nur wenige Monate Zeit. Seither zahlte sie mehrere hundert Millionen Dollar an Strafzöllen, weil sie kein Hormonfleisch importieren will.
Die USA haben gute Chancen, auch den Gentech-Streitfall vor der WTO zu gewinnen. So ginge es auch bei vielen anderen sinnvollen Maßnahmen, die gar nicht erst ausprobiert werden: Etwa ein Importverbot für Produkte aus Urwald-Holz – WTO-widrig. Verpflichtende Öko-Standards für Produkte aus gefährdete Fischarten – unmöglich.
Demokratie?
Dass unsere Regierungen ihre eigene Handlungsfähigkeit je so stark einschränken konnten, ist unverständlich. Man kann nur hoffen, dass sie Vernunft annehmen – und bei der kommenden WTO-Ministerkonferenz in Cancún keine neuen Regeln schaffen, die der WTO noch mehr Kompetenzen geben oder gar Unternehmen WTO-Klagen gegen Staaten ermöglichen. Sonst wird Demokratie langsam zu einem Sandkastenspiel, über das multinationale Konzerne einfach hinwegsteigen können.
Nachlese