Beeindruckte als Mimi: die Sopranistin Anita Hartig.

Foto: Michael Poehn / Wiener Staatsoper

Wien - Ramon Vargas ist einer der verlässlichen, sehr guten Tenöre der Gegenwart. Der Mexikaner ist zwar kein Sängerschauspieler von singulärer Eindringlichkeit, was er bei dieser Bohème an der Wiener Staatsoper auch zeigen konnte. Allerdings verfügt er über ein kostbares Timbre, das Phrasen, die profund und schön dahinströmen, mit dem gewissen Etwas adelt. Und wenn er ein wenig in Nöte gerät (als Rodolfo), ist viel Routine zugegen, um sehr anständig über die Runden zu kommen. Auch dies war zu hören.

An diesem Abend allerdings galt die Aufmerksamkeit dann doch vor allem Ensemblemitglied Anita Hartig und ihrem Rollendebüt (statt der ausgefallenen Maija Kovalevska). Die 1983 in Rumänien geborene Sopranistin gab sich (als Mimi) sattelfest und auch wirkungsvoll in allen vokalen Rollenbelangen. Dass die 391. Aufführung dieser Arbeit von Franco Zeffirelli nicht das Alter der Produktion vergessen machen konnte, ist klar. Wie auch, dass die Sänger (auch Hartig) insgesamt nur im Bereich der darstellerischen Routine blieben.

Hartig allerdings beeindruckte im vokalen Bereich in einer Weise, wie dies bei Repertoirevorstellungen nun doch selten vorkommt. Ihr Sopran verfügt über jenen rührenden, flehenden Unterton, der die Töne mit Emotion ausstattet. Auch die dynamische Bandbreite ist bemerkenswert: Tragfähig das Leise, und auch im Expressiven sind keine Verluste an edlem Klang zu vernehmen. Selbst, wo Dirigent James Gaffigan (bei seinem durchaus gelungenen Staatsoperndebüt) das philharmonische Orchester etwas laut "aufdrehte", gelang es Hartig zumeist ausdrucksstark, über die Mauer des romantischen Wohlklangs zu "klettern".

Bei dieser Bohème-Version, in der Hartig schon einmal Musette war, auch eine sehr ansprechende Umgebung: Bis auf die mitunter etwas angestrengt klingende Simina Ivan (Musette) reüssierten die Herren (Marco Caria als Marcello, Tae-Joong Yang als Schaunard, Jongmin Park als Colline und Wolfgang Bankl als Benoit/Alcindor). Was in Summe zu einem guten Abend führte. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD/Printausgabe 30. November 2011)