Die gesetzliche Korrektur der OGH-Entscheidung zu leistungsbezogenen Prämien lässt einige Fragen offen.

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Es ist selten genug, dass der Gesetzgeber ins Arbeitsrecht eingreift, um eine höchstgerichtliche Entscheidung zu korrigieren. Geschehen ist dies, wie berichtet, bei der Frage, ob die Einführung von leistungsabhängigen Prämien einer Betriebsvereinbarung bedarf.

2008 entschied der Oberste Gerichtshof überraschend, dass eine Betriebsvereinbarung notwendig sei (OGH 8. 10. 2008, 9 ObA 144/07b). Dem Betriebsrat stand somit ein uneingeschränktes Vetorecht bei zentralen Managementfragen zu. Die empörten Reaktionen der Wirtschaft rüttelten die Regierung wach. Mit Jahresbeginn folgte im Rahmen der Arbeitsverfassungsgesetznovelle eine deutliche Klarstellung. Danach kann zwar nunmehr eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden, diese ist aber nicht zwingend notwendig. Der Arbeitgeber hat Entscheidungsfreiheit, ob er eine leistungsabhängige Entlohnung durch Betriebsvereinbarung oder Einzelvereinbarungen regelt.

Der neu geschaffene Tatbestand der leistungs- und erfolgsbezogenen Prämien und Entgelte im Arbeitsverfassungsgesetz bezieht Performanceentgeltsysteme in ihrer generellen Ausgestaltung mit ein. Unter diesen ist grundsätzlich ein zusätzlicher Entlohnungsanspruch des Arbeitnehmers, beruhend auf einer individuellen Zielvereinbarung und einer individuellen Bewertung der Zielerreichung nach einem bestimmten Zeitabschnitt, zu verstehen.

Zugunsten der Arbeitgeber wurde klargestellt, dass der Betriebsrat die Implementierung durch Verweigerung des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung nicht mehr verhindern kann. Gibt der Betriebsrat seine Zustimmung nicht, dann kann der Arbeitgeber ein solches System durch Einzelvereinbarungen einführen. Betriebsräte, so die oft geäußerte Befürchtung, könnten ihr Einspruchsrecht sonst als Druckmittel bei anderen strittigen Fragen im Betrieb verwenden.

Aber was passiert mit den Betriebsvereinbarungen, die in der Übergangsphase zwischen der OGH-Entscheidung 2008 und dem Inkrafttreten der Novelle 2011 abgeschlossen wurden?

Für danach abgeschlossene unbefristete Betriebsvereinbarungen sieht das Gesetz vor, dass diese vom Arbeitgeber mit Dreimonatsfrist aufgekündigt werden können - jedoch mit Nachwirkung. Das heißt, die Betriebsvereinbarungsregelungen gelten für die ihnen bisher unterliegenden Arbeitnehmer weiter. Die Nachwirkung kann nur durch einzelvertragliche Regelungen mit jedem Arbeitnehmer oder durch eine neue Betriebsvereinbarung abbedungen werden. Neu eintretende Arbeitnehmer sind nicht davon erfasst.

Bis Anfang 2011 hätte man Betriebsvereinbarungen, die in der Übergangsphase abgeschlossen wurden, auf Basis der alten Rechtslage einseitig und ohne Nachwirkung kündigen können. Eine klare Übergangsregelung wurde vom Gesetzgeber allerdings nicht vorgesehen. In der Literatur wird teilweise die Meinung vertreten, dass bei in der Übergangszeit abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen nunmehr die neue Rechtslage gilt - also drei Monate Kündigungsfrist und Nachwirkung. Da die Arbeitgeber bei Abschluss der Vereinbarung von deren jederzeitiger Kündbarkeit ohne Nachwirkung ausgegangen sind, wäre dies eine wesentlicher Eingriff in ihre Dispositionsrechte.

Solange jedoch keine höchstgerichtliche Judikatur zu dieser Frage vorliegt, muss ein betroffener Arbeitgeber damit rechnen, dass eine im Übergangszeitraum abgeschlossene Betriebsvereinbarung bei deren Aufkündigung eine Nachwirkung entfalten könnte.

Um dieses Risiko auszuschließen, könnten Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine einvernehmliche Regelung treffen (z. B. Aufhebung, Befristung). Alternativ wäre auch die Aufkündigung der Betriebsvereinbarung denkbar. In diesem Fall müsste jedoch mit allen betroffenen Arbeitnehmern eine entsprechende neue - einzelvertragliche - Bonusvereinbarung abgeschlossen werden.

In Zukunft sollten Arbeitgeber, die einen gewissen Verhandlungsspielraum bei der Gestaltung ihrer Boni-Programme behalten wollen, auf die einzelvertragliche Regelung zurückgreifen. Dabei ist die Mitwirkung des Betriebsrats ausgeschlossen und es besteht keine Nachwirkungsproblematik. Eine Alternative ist, Programme als befristete Betriebsvereinbarung, die automatisch nach Zeitablauf - und ohne Nachwirkung - endet, auszugestalten. Nach Zeitablauf wären allenfalls wieder Verhandlungen mit dem Betriebsrat erforderlich. (Hans Georg Laimer, Martin Huger, DER STANDARD, Printausgabe, 30.11.2011)