Alexander Bogner: Die Ethisierung von Technikkonflikten. Studien zum Geltungswandel des Dissenses. Velbrück, 2011

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Von der "Achse des Bösen" und von "Schurkenstaaten" war in der Politik die Rede, in der Ökonomie redet man gern von einer (noch ausständigen) "Moralisierung der Märkte". Auch für die Wissenschaft und die Technik konstatiert Alexander Bogner eine ethische Wende: "Früher ging es in den Auseinandersetzungen um die Kernenergie oder die grüne Gentechnik noch vor allem um Risikofragen", so der Soziologe, heute diskutiere man vielmehr darüber, ob diese Technologien gut oder böse seien.

In seiner Habilitationsschrift, die vor kurzem in einer sehr lesbaren Buchfassung erschien, spürt der Forscher am Institut für Technikfolgenabschätzung der ÖAW vor allem den forschungspolitischen Folgen dieses Trends nach. Zeigen würde sich dieser unter anderem darin, dass Ethikkommissionen die Forschung quasi in Supervision begleiten. Und in den Parlamenten würden biopolitische Entscheidungen zunehmend als Gewissenssache verstanden, die Parteimoral sei für den Einzelnen nicht bindend - für den Soziologen ein "fundamentaler Wandel im politischen Umgang mit diesen Fragen". Die Wissenschaft werde aber gleichsam auch aus dem Inneren durch Moralappelle gesteuert. Die Universitäten etwa händigen ihren Mitgliedern entsprechende Benimmregeln aus.

Bogner nimmt diese "ethische Wende" in Technikkonflikten aber nicht nur theoretisch, sondern in hellsichtigen Fallstudien über Ethikkommissionen oder Bürgerkonferenzen auch empirisch unter die Lupe. Das Resümee des soziologischen Beobachters: Konnte man sich früher in Technikkonflikten auf Experten berufen, stehen die heute selbst unter Verdacht - was Lösungen nicht eben leichter macht. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 30.11.2011)