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Eine Überwachungskamera filmte Anders Breivik am 22. Juli, nachdem er eine Bombe im Osloer Regierungsviertel gelegt hatte. Bei der Explosion starben acht Menschen.
Oslo - Anders Breivik hat es kommen gesehen: "Sie werden mich für verrückt erklären. Glaubt es nicht", schrieb der geständige Attentäter in seinem Manifest "2083. Eine Europäische Unabhängigkeitserklärung". Seit Dienstag ist nun klar: Breivik hatte recht.
Der mutmaßliche Massenmörder habe zum Tatzeitpunkt an einer Wahn-Erkrankung gelitten und sei daher zurechnungsunfähig gewesen. Zu diesem Schluss kommen jene beiden Gerichtspsychiater, die Breivik in den vergangenen Monaten untersucht hatten. Sollte das Gericht sich diesem Urteil anschließen - was als sehr wahrscheinlich gilt - kann Breivik für seine Taten nicht bestraft werden (siehe Wissen).
"Größter Ritter Norwegens"
Breivik sei überzeugt gewesen, als "größter Ritter Norwegens" für eine höhere Sache zu kämpfen und habe sich als einen der künftigen "Regenten" des Landes gesehen, schreiben die Gutachter. Außerdem habe er "menschliche Zuchtprojekte" mit Norwegern in eigenen Reservaten geplant. Laut einem Bericht des norwegischen Rundfunks soll Breivik als Kind sexuell missbraucht worden sein.
Die beiden Psychiater hatten insgesamt 13 Interviews mit Breivik geführt, ihren mehr als 200 Seiten starken Bericht übergaben sie am Dienstag an die Staatsanwaltschaft. Diese schloss sich dem Urteil der Gutachter über Breivik an: "Er lebt in seinem eigenen wahnhaften Universum, und seine Gedanken und Taten sind diesem Universum untergeordnet", sagte Staatsanwalt Svein Holden auf einer Pressekonferenz.
Die meisten Beobachter waren davon ausgegangen, dass Breivik für zurechnungsfähig erklärt werden würde, weil er seine Taten jahrelang geplant hatte. "Das gefährliche am Wahn ist, dass der betreffende zwar die Wirklichkeit in einem Punkt anders wahrnimmt, die Psyche aber sonst intakt bleibt", sagt Reinhard Haller, Gerichtspsychiater, der auch das Gutachten im Fall des Briefbombers Franz Fuchs verfasste.
Menschen, die an einer Wahnerkrankung leiden, könnten daher auch komplexe Taten vorbereiten. Solche Erkrankungen gelten als extrem konstant und nicht therapierbar. Die Diagnose im Fall Breiviks ist ähnlich wie bei Fuchs. Letzterer war trotzdem für schuldfähig befunden worden - weil laut Gutachten sein Wahn erst ein Jahr vor seiner Verhaftung einsetzte. Bei den Verbrechen, die er davor begangen hatte, war er zurechnungsfähig gewesen.
Der Prozess gegen Breivik soll wie geplant am 16. März 2012 beginnen. Breivik hatte im Juli eine Bombe im Osloer Regierungsviertel gezündet, bei der Explosion starben acht Menschen. Danach hatte er auf einer Ferieninsel 69 Jugendliche erschossen. (tob, DER STANDARD-Printausgabe, 30.11.2011)