"Tötung der Serben zugelassen?" , "Fünfzig verwundete Serben" , "Die Kfor schoss auf uns aus drei Metern Entfernung" , titelten am Dienstag serbische Zeitungen. In den Berichten wird überwiegend behauptet, dass die internationale Schutztruppe im Kosovo übermäßige Gewalt gegen das "friedlich demonstrierende, unbewaffnete Volk" angewendet habe. Laut der Belgrader Politika seien 35 Serben verletzt worden, als die Kfor am Montag eine Barrikade bei dem Ort Jarinje im Nordkosovo räumen wollte und Serben Widerstand leisteten.

Aufseiten der Kfor wurden elf Österreicher und 17 Deutsche verletzt. Ein Österreicher wurde vorübergehend in künstlichen Tiefschlaf versetzt und am Dienstag, nachdem er nicht mehr in Lebensgefahr war, zusammen mit einem anderen verletzten Kameraden nach Österreich zurückgeflogen. Ob mit scharfer Munition bei der Auseinandersetzung geschossen wurde, und ob einige lokale Serben bewaffnet waren, ist vorerst weitgehend unklar. Das 150 Mann starke österreichische Kontingent im Nordkosovo soll jedenfalls laut Verteidigungsminister Norbert Darabos um 120 Mann verstärkt werden.

Die Situation sei "angespannt" und könne jederzeit eskalieren, warnte Serbiens Kosovo-Minister Goran Bogdanović. Weitere "Angriffe" der Kfor auf serbische Barrikaden könnten die Situation völlig außer Kontrolle geraten lassen.

Staatspräsident Boris Tadić rief politische Vertreter der Kosovo-Serben erstmals explizit auf, die "Barrikaden selbst zu räumen" , weil das Menschenleben und die Interessen Serbiens gefährde und die Eskalation nur den Behörden in Prishtina nütze. Die EU-Missionen Eulex und die Kfor forderte Tadić auf, durch Dialog und ohne Gewalt eine Lösung zu finden. Das Kfor-Kommando verkündete, dass man bisher lediglich Pfefferspray, Tränengas, Gummigeschosse und Wasserwerfer eingesetzt habe, "doch in Situationen, in denen ihr Leben gefährdet ist, würden die Soldaten mit adäquaten Mitteln reagieren" .

Die angespannte Lage im Kosovo gefährdet den serbischen EU-Kandidatenstatus, über den der EU-Gipfel am 9. Dezember entscheiden soll. Voraussetzung dafür ist die Umsetzung der bisherigen Ergebnisse im Dialog zwischen Belgrad und Prishtina, der heute, Mittwoch, fortgesetzt werden soll. Die Serben im Kosovo fordern einen Sonderstatus für zwei Grenzübergänge im Norden als "administrative" Übergänge. (DER STANDARD-Printausgabe, 30.11.2011)