Frankfurt/Brüssel - Deutschland und Frankreich erheben beide Anspruch auf den wichtigen Posten des Chefvolkswirts der Europäischen Zentralbank (EZB). Beide Staaten wollten ihren Kandidaten auf dem wichtigen Posten sehen, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und sein französischer Kollege François Baroin bemühten sich gemeinsam um Entspannung.

Bisher galt Schäubles bisheriger Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen als einziger Kandidat für die Nachfolge des derzeitigen Chefvolkswirts, dem Deutschen Jürgen Stark. Stark hatte im September angekündigt, sein Amt zum Jahresende aufzugeben. Bei ihrem Gipfel im Oktober hatten die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder bereits entschieden, Asmussen ins EZB-Direktorium zu berufen, das Exekutivorgan der Notenbank, dem auch der Chefvolkswirt angehört.

Den Posten des Chefvolkswirts hatte seit Bestehen der EZB immer ein Deutscher inne. Doch am Dienstag wurden auch Ansprüche der Regierung in Paris auf das Amt bekannt. Nach AFP-Informationen möchte Frankreich den Chefvolkswirt des französischen Finanzministeriums, Benoît Coeuré, bei der Notenbank einführen und auf den Posten hieven.

Schäuble sprach sich am Dienstag offensiv dafür aus, dass Asmussen das Amt einnehmen solle. Asmussen sei als Nachfolger Starks "bereits gewählt", sagte Schäuble vor einem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel. Die deutsche Bundesregierung gehe davon aus, dass Asmussen ein "herausragender Ökonom" mit internationaler Erfahrung und damit "der Beste" für das wichtige Amt in der EZB-Führung sei. Die Entscheidung über die Besetzung des Postens liegt jedoch nicht bei den nationalen Regierungen, sondern bei EZB-Präsident Mario Draghi.

Wenig später bemühte sich Schäuble gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Baroin um Entspannung. In einer gemeinsamen Erklärung teilten sie am Rande des Finanzminister-Treffens in Brüssel mit, dass sie "vollkommen die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank respektieren, insbesondere hinsichtlich der Vergabe von Aufgaben im EZB-Direktorium". Sie vertrauten darauf, dass Draghi und das EZB-Direktorium entscheiden, "was am besten ist für die EZB".

In der vergangenen Woche hatte Paris Coeuré als neues französisches Direktoriumsmitglied vorgeschlagen. Seine Nominierung für das Direktorium stand am Dienstag auf der Tagesordnung des Finanzminister-Treffens. Anschließend muss er vor dem zuständigen Ausschuss im Europa-Parlament Rede und Antwort stehen. Offiziell ernannt werden soll er dann beim EU-Gipfel am 9. Dezember. (APA)