Das London und Berlin zwei international hochkarätige Museumsstandorte sind, ist keineswegs eine umstrittene Feststellung. Beide Städte bestechen durch die Fülle von unterschiedlichsten Museen, sowie durch den Weltruhm und die Qualität der Exponate die sie beherbergen. Kein Jahr vergeht, in dem an Themse und Spree keine "Jahrhundertausstellung" eröffnet wird und Millionen von Besuchern wie magnetisiert vom Faszinosum der Kunst in die ehrwürdigen Hallen von Neuer Nationalgalerie, Tate Modern, Bode Museum oder den Häusern am Trafalgar Square strömen.

Manchmal kommt es sogar vor, dass es thematische Überschneidungen gibt und dann eine Dame im Hermelin die "Party" vorzeitig verlässt, nach London fliegt um auch dort ihre Schönheit dem Publikum hinter dickem Panzerglas zu offenbaren. Man mag es als Absurdität auffassen, dass es zwei europäische Spitzenhäuser wie das Bode-Museum und die National Gallery nicht schaffen, ihre Renaissance-Schauen so auf einander abzustimmen, dass nicht bereits vor dem Ende der Ausstellung Bilder abgehangen werden und woanders einen neuen Ausstellungsmittelpunkt bilden.

Botticelli neben Chanel

Kaum ist die eine Schau eröffnet, laufen schon die Werbekampagnen für die nächste. So drängen sich die Bilder der schönen Simonetta Vespucci auf den öffentlichen Plakatwänden und Litfasssäulen neben denen von Kate Moss, die Handtaschen bewirbt oder dem Abbild Keira Knightleys, die sich lasziv für den neusten Damenduft französischer Kreation räkelt.

Botticelli neben Chanel! So wie Kunst zur Marke geworden ist, sind es auch die Ausstellungen, die sich nun einreihen in die Must-haves der Konsumpalette des internationalen Kommerzes. Die Inszenierung der Kunstwerke ähnelt mehr und mehr der Präsentation der Produkte, wie man sie aus den Shops der Luxusmarken kennt. Die Ausstellungsarchitekten arbeiten mit den gleichen Effekten wie die Store-Designer und wissen um die Bedeutung von Licht, Farbe und räumlichem Eindruck, nicht zuletzt deswegen, da es häufig ein und die selben Personen sind. Die Ästhetik ist perfekt, der Genuss ist da!

Konto geschont, Geist gefordert

Da das Betrachten von Kunst schon als Konsumprozess verstanden wird und keiner auf die Idee käme missmutig die Ausstellung zu verlassen, weil der Da Vinci nicht zu verkaufen ist, hat der Kunstkonsum den erheblichen Vorteil, dass er das Konto schont und den Geist fordert. Kritiker könnten nun einwerfen, dass es verwerflich sei, Kunst mit einem Marketingkonzept zu unterfüttern und die Leute mit den selben Effekten zum Ausstellungsbesuch zu bewegen, wie Kaffeehersteller zum Kauf ihrer Produkte verführen. Die Besucherrekorde sprechen für sich. Es ist nicht nur die einzigartige Qualität der ausgestellten Kunstwerke, sondern auch die erfolgreiche Vermarktung solcher Schauen, die derartige Leistungen ermöglicht. Besonders die großen Berliner und Londoner Museen haben diese Art der "Kundengewinnung" längst begriffen und setzen auf ähnliche Mechanismen um auch ihre ständigen Sammlungen, die Tag für Tag und Jahr für Jahr in den Räumen zu sehen sind, einem breiten Publikum zuzuführen.

Friday Late im Londoner Victoria & Albert Museum

Nach wie vor dürftig sind jedoch die Anstrengungen der Häuser, ein jüngeres Publikum anzusprechen, denen Museen häufig zu etabliert, statisch und verstaubt erscheinen und genau aus diesen Gründen eher Galerien bevorzugen, wo Kunst viel flexibler, interaktiver und ungezwungener "konsumiert" und rezipiert werden kann. Eine bemerkenswerte Ausnahme, stellt hier das Londoner Victoria & Albert Museum dar, die mit einem frischen Format monatlich zum sogenannten Friday Late laden. Eine Veranstaltungsreihe, wo Live-Performances, Installationen und strittige Debatten mit ausgewählten Berühmtheiten, sowie die Beats von international renommierten DJs die Hallen des Hauses füllen und somit eine junge Klientel ins Museum zieht, die für einen Abend im Monat die Clubszene und Galerien links liegen lässt. Ganz von selbst entsteht eine Wechselwirkung zwischen der ausgestellten Kunst und ihren Betrachtern, die eben mit ganz anderen Augen, Vorstellungen und Fragen vor die Exponate treten, als sonst die alt gedienten Experten. Es ist genau das, was dieser so eingesessenen und zum Teil veralteten Museumskultur neue Impulse verschafft und damit einen jungen, kreativen und vitalen Diskurs über Kunst, ihre Bedeutung und ihre Rezeption verschafft. Bitte mehr davon! (Ruben Alexander Schuster, derStandard.at, 30.11.2011)