Wien - Während Libyen versucht, zur Normalität zurückzukehren, strecken österreichische Unternehmen wieder vorsichtig ihre Fühler in dem Land aus. Von den 25 Firmen und Konzernen, die dort noch unter dem ehemaligen Diktator Muammar al-Gaddafi Niederlassungen gegründet hatten, seien sechs schon wieder aktiv. Einige davon, wie etwa die Vamed, die in Tripolis ein Spital betreibt und weitere Krankenhäuser eröffnen will, hatten das Land nie verlassen, berichtete der Handelsdelegierte der Wirtschaftskammer Österreich in Libyen, David Bachmann, am Mittwoch vor Journalisten. "Die Firmen brauchen jetzt Geduld und Zeit, um ihre Schäden zu evaluieren."

"Wir haben 400 Mio. Euro an Schulden für bereits ausgeführte Verträge ausständig", so Bachmann. Hinzu kommen noch offene Deals im Volumen von 1,5 Mrd. Euro. Den erlittenen Schaden aus nicht erfüllten Verträgen bezifferte er mit grob 40 bis 60 Mio. Euro. Sämtliche Niederlassungen wurden von den Kriegswirren beeinträchtigt. Derzeit muss beispielsweise auch eine Einigung betreffend der Löhne gefunden werden, die sieben Monate lang nicht ausbezahlt wurden.

Die oberösterreichische Asamer-Baustoffgruppe, die in Libyen drei Zementwerke betreibt, hat ihre Produktion in Benghazi den Angaben zufolge bereits wieder aufgenommen, und auch der Mineralölkonzern OMV hat vor zehn Tagen wiedereröffnet. Die Ölproduktion läuft derzeit bei 30 Prozent des Niveaus vor der Revolution. Besonders hart von den Kriegswirren betroffen ist die Strabag, deren Anlagen komplett geplündert wurden. Der Baukonzern ist derzeit noch dabei, seine Schäden zu evaluieren, ehe er seine Aktivitäten wieder aufnimmt.

Österreich exportierte 2010 Waren im Wert von 225 Mio. Euro nach Libyen. Das Land verfügt über nachgewiesene Ölreserven von 40 Mrd. Barrel (je 159 Liter). Das Gesamtvermögen wird laut Bachmann auf 4.000 Mrd. Dollar geschätzt. Es gebe praktisch keine Auslandsverschuldung.

Firmen, die unter dem Ex-Diktator Geschäfte gemacht haben, würden nach wie vor offen aufgenommen, sofern sie diese in transparenter Weise gemacht haben, versicherte der einflussreiche Geschäftsmann Husni Bey, der laut Wirtschaftskammer Österreich über 120 ausländische Firmen in Libyen vertritt. "Von den österreichischen Unternehmen haben sich mindestens 99 Prozent an die Regeln gehalten", betonte Bey. Auch der politische Aktivist und ehemalige Vertreter des libyschen Übergangsrates in Großbritannien, Guma Al-Gamati, bekräftigte den guten Ruf der Österreicher.

Die Verträge zwischen privaten libyschen und privaten ausländischen Firmen seien unverändert gültig, ebenso Verträge zwischen Firmen, die zu 100 Prozent der libyschen Regierung gehörten, und ausländischen Unternehmen, erklärte der libysche Anwalt Mohamed Tumi. Allerdings würden Verträge, welche die öffentliche Infrastruktur betreffen, sehr wohl unter die Lupe genommen. So sei etwa ein 860 Mio. Euro schwerer Bahninfrastrukturauftrag direkt ohne Ausschreibung vergeben worden, der nun einer Revision unterzogen wird. (APA)