"Falsche Facebook-Freunde können gesetzwidrig sein", warnt eine Überschrift im Standard der Vorwoche und verweist auf Paragraf 2 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, der "die Vortäuschung der Beliebtheit eines Produkts durch eine Vielzahl von Postings" verbietet. Müssen wir uns also um Werner Faymann Sorgen machen?

Prinzipiell ja, aber im konkreten Fall wohl nicht, denn besagter Paragraf hat im World Wide Web eine ähnliche Wirkungsmacht wie Steuergesetze in Griechenland oder Alkoholverbote am Münchner Oktoberfest.

Dass die Facebook-Seite des Kanzlers durch von Freund und Feind erfundene Jubel-Perser gekapert wurde, ist in Wahrheit nichts allzu Außergewöhnliches. Wer schon einmal vertrauliche Gespräche mit Mitarbeitern von Online-Redaktionen geführt hat, weiß um die hohe Virtualität von Meinungsäußerungen im Internet.

Die meisten Poster aus den Parteizentralen haben gelernt, ihre Spuren zu verwischen, und versuchen gemeinsam mit Einzelkämpfern, die ihre Meinung für so wichtig halten, dass sie diese rund um die Uhr unter bis zu zwanzig verschiedenen Nicknames kundgeben, die Illusion einer Vox populi zu erzeugen. Ein Trugbild, dem selbst seriöse Meinungsforschungsinstitute auf den Leim gehen, wie jenes, das im Kurier die "Stimmung der Wiener" anhand von Beiträgen auf Facebook, Twitter sowie in Blogs und Online-Foren in exakten Zahlen messen will.

Das erinnert an einen sportlichen Wettkampf nach Abschaffung des Dopingverbots, bei dem nicht mehr der beste Athlet, sondern der beste Arzt ermittelt wird.

Das Aufzeigen dieser Manipulierbarkeit kann unerwartete berufliche Konsequenzen nach sich ziehen. Einen Tag, nachdem das U-Bahn-Sitz-Sauberwischblatt Heute die Entlarvung gefälschter Leserbriefe meldete, die von einer Adresse der SPÖ abgeschickt wurden, nahm nicht Laura Rudas, sondern der verantwortliche Heute-Chefredakteur den ihm entgegengehaltenen Hut.

Offensichtlich irritierte die hinter einer Stiftung verborgenen Zeitungseigentümer der Umstand, dass die Fälschung von Leserbriefen just in einem Medium mit starkem Bezug zur Familie Dichand aufgedeckt wird. Zu Lebzeiten des Patriarchen wären vergleichbare Enthüllungen in der Kronen Zeitung undenkbar gewesen, zumal dieser beim Hören auf Volkes Stimme stets ein Meister der selektiven Wahrnehmung war und das Problem nichtgenehmer Zwischentöne durch schlichtes Ignorieren löste.

Das führte dazu, dass er das Podium der Leserbriefseite fast ausschließlich von den immer gleichen Briefschreibern bespielen ließ, von denen einige neben ihrer vollkommenen Berechenbarkeit auch den Vorteil realer Existenz hatten.

Aber auch dieses System hat seine Tücken. Stephan Pestitschek, über viele Jahre verlässlicher Lieferant von manchmal vor geradezu parodistisch wirkender Kleingeistigkeit strotzenden Krone-Leserbriefen, hatte vor einigen Wochen die folgenschwere Idee, Kritik am Pro-Faymann-Kurs der Kronen Zeitung ausgerechnet in einem Brief an den Kurier zu äußern. Seit damals wurde keine seiner Zuschriften in der Krone abgedruckt. Hier droht eine mit offensichtlich ausreichend Tagesfreizeit gesegnete Begabung zu verkümmern. Faymann, übernehmen Sie! (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.11.2011)