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Armeestützpunkt in Homs

Foto: Reuters

Genf - Ein neuer Bericht einer von der UNO eingesetzten Ermittlungskommission erhebt schwere Vorwürfe gegen das syrische Regime. Bei Gewalteinsätzen gegen Demonstrierende haben Polizei und Militär schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Dazu gehörten Massenhinrichtungen, willkürliche Verhaftungen, Zwangsvertreibungen, Folter, sexuelle Gewalt sowie die Verletzung der Rechte von Kindern durch Angehörige des Militärs und der Sicherheitskräfte. Nach UN-Schätzungen fielen dem Konflikt in Syrien bereits mehr als 3.500 Menschen zum Opfer.

Die Kommissionsmitglieder riefen bei der Vorlage ihres Berichtes die UN und namentlich deren Sicherheitsrat auf, sich energisch für "eine sofortige Beendigung schwerer Verletzungen der Menschenrechte" in Syrien stark zu machen. Alle Vorwürfe müssten eingehend untersucht und mutmaßliche Täter zur Verantwortung gezogen werden. Die im August berufene Kommission unter Leitung des brasilianischen Politikwissenschafters Paulo Sergio Pinheiro beklagte zugleich, dass die Regierung in Damaskus ihr trotz wiederholter Appelle die Erlaubnis zur Einreise nach Syrien versagte.

Daher stützen sich die in dem 22-seitigen Bericht erhobenen Anschuldigungen gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad großteils auf Angaben von Zeugen, die außerhalb Syriens befragt wurden. Dazu gehörten Überläufer, die nach eigenen Angaben als Mitglieder der Sicherheitskräfte zur Niederschlagung von Protesten eingesetzt waren. Sie hätten von klaren Befehlen "zu schießen und zu töten" berichtet, heißt es in dem Dokument.

Einer dieser Zeugen wird mit Angaben über ein Massaker unter friedlichen Demonstranten in der Ortschaft Telbisa im Mai zitiert: "Die Demonstranten forderten Freiheit. Sie trugen Olivenzweige und marschierten mit ihren Kindern. Wir hatten Befehl, die Menge aufzulösen oder jeden zu eliminieren, auch Kinder. (...) Wir benutzten Maschinengewehre und andere Waffen. Viele Menschen lagen am Boden, verletzt oder getötet."

Für Gewaltanwendung seitens der Opposition fanden sich kaum Beweise: die Kommission merkt an, dass der Großteil der Demonstranten laut Zeugenaussagen unbewaffnet war.

Zweijährige erschossen

Ein Deserteur berichtete, er habe beschlossen zu fliehen, als er ansehen musste, wie sein Vorgesetzter in Al Ladhiqiyah ein zweijähriges Mädchen erschoss. Der Offizier begründete die Gewalttat damit, dass er verhindern wolle, dass das Kind "zur Demonstrantin aufwächst".

Ein weiterer Überläufer berichtet, er habe sich dem Befehl widersetzt, auf Demonstranten zu schießen, indem er über die Köpfe der Protestierenden zielte. Allerdings dokumentierten die Militärs den Einsatz mit Fotos und konnten so herausfinden, wer absichtlich danebengeschossen hatte. Der Mann wurde geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert, bei seiner Einvernehmung zeigte er Brandwunden an den Armen und eine mit 30 Stichen genähte Kopfwunde vor.

Mehrere Überläufer berichteten der Kommission, dass Kameraden exekutiert worden seien, weil sie sich weigerten, auf Zivilisten zu schießen. In der Ortschaft Sayda, hieß es weiter, seien sogar Kinder zu Tode gefoltert worden - unter ihnen ein 14- und 13-Jähriger. "Mehrere Zeugen berichteten von sexueller Folter an männlichen Gefangenen", heißt es weiter. Dazu hätten "Schläge auf die Genitalien, erzwungener Oralsex, Elektroschocks und Verbrennungen mit Zigaretten im After" gehört. (red/APA)