Die Einsatzgruppe der Justizwache beim Training in Österreichs größtem Gefängnis, der Justizanstalt Josefstadt in Wien. Die Kommandos gibt Maria Wagner (links).

Foto: Andy Urban

Wien - Als Maria Wagner 1995 zur Justizwache kam, waren Frauen außerhalb der Frauenvollzugsanstalt Schwarzau in diesem Beruf praktisch nicht vorhanden. Heute trainiert die Niederösterreicherin die spezielle Einsatzgruppe für brenzlige Situationen in Österreichs größtem Gefängnis, der Justizanstalt Wien-Josefstadt. Am Donnerstag gewährte das Justizministerium Journalisten einen seltenen Blick hinter die sonst verschlossenen Kulissen.

132-mal kam es heuer im Grauen Haus zu einer Alarmauslösung hinter Gittern, alle Einsätze verliefen ohne Verletzungen. "Blaue Flecken ausgenommen", meint Peter Hofkirchner, der Leiter der Einsatzgruppe.

In voller Montur sehen die Männer und Frauen aus, wie die Kollegen von der Wega, der schnellen Eingreiftruppe der Wiener Polizei. Auch sportlich gelten ähnlich hohe Anforderungen. Zum wöchentlichen Training direkt im Gefängnis gehören Läufe im Stiegenhaus: acht Stockwerke, vier Mal rauf und runter, dazwischen wird die Kenntnis von relevanten Gesetzen abgefragt.

Psychische Belastung

In jeder heimischen Justizanstalt haben 15 bis 20 Prozent des Justizwachepersonals die Spezialausbildung. Der Zulauf ist enorm, doch viele Bewerber scheitern am Eignungstest. Vor allem die psychische Belastbarkeit muss hoch sein. "Es ist nicht lustig, beispielsweise Menschen in psychischen Ausnahmesituationen davon abzuhalten, Suizid zu begehen. Du weißt nie, wie jemand reagiert, der vielleicht schon die halbe Zelle demoliert hat", sagt Maria Wagner, die Worte als ihre stärkste Waffe bezeichnet.

Abgesehen davon stehen der Justizwache-Einsatzgruppe folgend Waffen zu Verfügung: der Mehrzweckstock, in dessen abschraubbarer Kappe sich ein kleines Messer befindet, Pfefferspray, eine Pistole (Glock 17) mit dreifach gesichertem Holster, ein Sturmgewehr und ein Taser.

Gefürchteter Anblick

Schusswaffengebrauch im Gesperre, wie der innere Bereich einer Haftanstalt genannt wird, ist selten. Zu den meisten Einsätzen rücken die Spezialisten auch in der normalen Justizwache-Uniform aus. Oft reiche allein der Anblick des Tasers, um etwa Streit unter Insassen zu beenden.

Vor vier Jahren kam es in der Josefstädter Justizanstalt zu einer Geiselnahme, die ohne Verletzte aufgelöst werden konnte. Im Vorjahr wurde ein ähnlicher Vorfall bereits im Keim erstickt. Als direkte Konsequenz ließ die Justizwache eine Einsatzmöglichkeit testen, die erst vor kurzem, also eineinhalb Jahre später, für negative Schlagzeilen sorgte.

Reizgas-Versuch ging schief

Bei einem Versuch mit Reizgas war anscheinend die Dosis zu hoch und raubte einem Justizwachebeamten, der freiwillig als Versuchskaninchen fungierte, schneller und länger den Atem, als geplant. Bei einer zu Hilfe gerufenen Krankenschwester zeigten sich einige Tage danach Symptome einer Vergiftung. Die Frau ist bis heute nicht arbeitsfähig. Da ein Verfahren anhängig ist, ist Generalleutnant Peter Prechtl von der Vollzugsdirektion zurückhaltend mit Auskünften.

Den Vorwurf, dass die Sache vertuscht worden sei, weist Prechtl aber zurück. Der Versuch sei auf Video festgehalten worden, das später zu einem Schulungsvideo verarbeitet worden sei. Es seien keine relevanten Szenen herausgeschnitten worden. Der Reizgas-Deal mit einer oberösterreichischen Firma fiel jedenfalls ins Wasser. (Michael Simoner, DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2011)