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"Nieder mit dem Militärrat" - solche Graffiti am Kairoer Tahrir-Platz formulieren die Haltung weiter Teile der ägyptischen Bevölkerung. Sie wählt in den nächsten Wochen eine neue Regierung.

Foto: EPA/KHALED ELFIQI

Kairo - Wie schon in Tunesien und Marokko stehen auch in Ägypten islamistische Parteien vor einem Wahlsieg. Das geht aus inoffiziellen Zwischenergebnissen hervor, die am Donnerstag - zwei Tage nach dem Ende der ersten Wahlphase - bekanntwurden. Demnach erhielt die Muslimbruderschaft mit ihrer Partei der Freiheit und Gerechtigkeit - sie bezeichnet sich selbst zumeist als "moderat islamistisch" - mehr als 40 Prozent der Stimmen. Auf dem zweiten Platz landete die radikalere Partei des Lichts, die in einigen Provinzen mehr als 30 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Die von linken und liberalen Parteien gebildete Ägyptische Allianz lag in den meisten Wahlkreisen nur auf dem dritten Platz.

Die offiziellen Ergebnisse des ersten Urnengangs der Post-Mubarak-Ära, in dem die Bewohner von Kairo, Alexandria und sieben ländlichen Provinzen ihre Stimmen abgegeben hatten, sollten ursprünglich am Donnerstagabend veröffentlicht werden - kurzerhand wurde die Publikation auf Freitag verschoben.

In einigen Bezirken wird es am nächsten Montag eine Stichwahl geben - weshalb auch die Zwischenergebnisse publiziert werden müssen, obwohl es Befürchtungen gibt, diese könnten den weiteren Wahlverlauf in den übrigen 18 Provinzen beeinflussen.

Die genaue Verteilung der 498 Sitze im ägyptischen Parlament wird plangemäß am 13. Jänner bekanntgegeben.

Das neue Parlament wird die Aufgabe haben, eine neue Verfassung zu formulieren. Ende Juni wählen die Ägypter dann einen neuen Präsidenten als Nachfolger des am 11. Februar gestürzten Hosni Mubarak. Erst danach soll sich der Oberste Militärrat, der seit dem Umsturz die Zügel in der Hand hält, offiziell aus der Politik zurückziehen. Die Rolle des Militärrates unter der Führung von Feldmarschall Hussein Tantawi war in den letzten Tagen vor der Wahl Ursache für zahlreiche Demonstrationen.

Polizist stellte sich

Am späten Mittwochabend stellte sich ein Polizist, der gezielt auf Demonstranten geschossen haben soll. Die Staatsanwaltschaft hatte die Festnahme des Polizisten wegen Verstümmelung von Demonstranten und versuchten Mordes gefordert und berief sich dabei auf Augenzeugenberichte und im Internet verbreitete Videos.

Der mutmaßliche Täter soll vergangene Woche in Kairo mit Gummigeschoßen gezielt auf die Augen von Kundgebungsteilnehmern gefeuert haben. Laut einer Menschenrechtsorganisation wurden allein in ein Krankenhaus 60 Menschen mit Augenverletzungen eingeliefert. Bei den Protesten in Kairo und anderen Städten waren seit dem 19. November mindestens 42 Menschen getötet worden. (red/DER STANDARD Printausgabe, 2.12.2011)