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Richter in Italien – wie hier Bruno Muscolo bei der Verurteilung von acht N'Drangheta-Angehörigen – stehen nicht immer in Opposition zur Mafia. Wie manche Politiker oder Kirchenangehörige pflegen sie häufig gute Kontakte zu den Clans.

Foto: FRANCO CUFARI/EPA

Betretenheit im Vatikan: Dem jetzt in Mailand verhafteten N'Drangheta-Boss Giuseppe Lampada ist im Vorjahr der päpstliche Silvester-Orden verliehen worden – mit einem von Staatssekreär Kardinal Tarcisio Bertone unterzeichneten Pergament. Der peinliche Fehltritt wird mit "unzureichender Verifizierung" begründet. Die Orden würden meistens auf Vorschlag der Diözesen an "Wohltäter der Kirche" vergeben. Da könnten Fehler durchaus vorkommen. Man sei schließlich kein Detektivbüro.

Die Feststellung der Richter, dass die "Beziehungen der N'Drangheta bis in die Kirchenführung reichen", werden im Vatikan zurückgewiesen. Die Verhaftung Lampadas, dessen Kinder im Petersdom getauft wurden, demonstriert eindrucksvoll, wie bedenklich die kalabrische Mafia in Italiens Institutionen eingesickert ist. 

"Ich hätte Mafioso werden sollen"

Aufsehen hat vor allem die Verhaftung des bekannten Richters Vincenzo Giglio erregt, der sich stets als Mafia-Gegner gebärdete und Mitglied der linken Richtervereinigung Magistratura Democratica war. Er versorgte den Lampada-Clan mit geheimen Informationen, als Gegenleistung wurde seine Frau zur Chefin des mafiaverseuchten Sanitätssprengels Vibo Valentia ernannt.

Den Richter Giancarlo Giusti im kalabrischen Palmi machten N'Drangheta-Clans mit neun Aufenthalten in Luxushotels einschließlich Prostituierten gefügig. "Ich hätte Mafioso werden sollen und nicht Richter", gesteht Giusti in einem Telefongespräch mit Lampada. Neben einem hohen Beamten der Finanzpolizei wurde auch der von Roms Bürgermeister Gianni Alemanno unterstützte Regionalratsabgeordnete Franco Morelli verhaftet, der als politischer Arm der N'drangheta wirkte. Alemanno nahm an einer von Lampada veranstalteten Party teil.

Anwälte, Richter, Politiker, Polizeibeamte

Im Gefängnis landete auch der angesehene Anwalt Vincenzo Minasi mit Kanzleien in Palmi, Mailand und Como und besten Beziehungen in die nahe Schweiz. Er legte das Vermögen des Lampada-Clans in unverdächtigen Gesellschaften an, die von Strohmännern geleitet wurden. Es sei "schmerzlich festzustellen, daß sich Richter, Politiker und Polizeibeamte in den Dienst der Kriminalität stellen", klagte Staatsanwältin Ilda Bocassini.

Auch im Mailänder Gerichtsgebäude habe die N'Drangheta ihre Spitzel platziert. Zum Unterschied von der traditionell antikommuninistischen Mafia handle es sich um eine "transervale Organisation", die im Wahlkampf "jeden unterstützt, der ihr dienlich ist." 

1000 Jahre Haft

Giuseppe Lampada und sein ebenfalls verhafteter Bruder Francesco hätten "beispielhafte N'Drangheta-Karrieren hinter sich:"Sie begannen mit dem Verkauf von panini und wurden nach ihrer Übersiedlung nach Mailand zu Millionären", so Bocassini, die die mafiakritischen Äußerungen zahlreicher Politiker als "reine Lippenbekenntnisse" bezeichnete.

Noch drastischer drückte sich auf der Mailänder Pressekonferenz der Ermittler der kalabrische Staatsanwalt Michele Prestipino aus: "Mailand kann schon bald ein zweites Reggio Calabria werden." Vor zehn Tagen sind in Mailand in einem als historisch bezeichneten Prozeß 110 N'Drangheta-Mitglieder zu Strafen im Gesamtumfang von über 1000 Jahren Haft verurteilt wurden. (Gerhard Mumelter aus Rom, derStandard.at, 2.12.2011)