Wien - Was lange währt, wird endlich gut; bei der Bank Austria (BA) gilt das in der Causa Novum nur bedingt, nämlich bis zur nächsten Gerichtsentscheidung. Denn: Im seit 1993 mit Deutschland geführten Streit um verschwundene Millionen der DDR-Gesellschaften Novum und Transcarbon rund um KPÖ-Treuhänderin und Novum-Chefin Rudolfine "Fini" Steindling hat die BA in der Schweiz einen "Etappensieg" (ein Jurist) errungen.
Ein Schweizer Kassationsgericht hat das zweitinstanzliche Urteil des Obergerichts Zürich von März 2010 aufgehoben. Das hatte die Bank wegen "Mitwirkung" an der Veruntreuung von SED-Millionen zu einer Schadenersatzzahlung von 240 Mio. Euro (128 Mio. plus Zinsen ab Juni 1994) an Deutschland verdonnert. Gekippt wurde das Urteil aus formellen Gründen, nun ist erneut die zweite Instanz am Zug.
Die 128 Mio. Euro aus dem Vermögen der Ostberliner "Außenhandelsfirma" Novum hat "die rote Fini" zunächst von der Wiener Länderbank (später: Bank Austria) in die Schweiz transferiert. 1991 ließ sie die Millionen von den Konten bei der damaligen Schweizer Länderbank-Tochter BFZ wieder nach Wien überweisen und holte das Geld dann ab; seither gilt es als verschollen. Zur Erklärung: An Außenhandelsfirmen wie die Novum mussten westliche Gesellschaften, die mit der DDR Geschäfte machten, Zwangsprovisionen zahlen. Die landeten letztlich beim Staat und der Staatspartei SED.
Die jahrzehntelangen Prozesse zuvor hatten sich nur um eine Frage gedreht: Gehört die Novum der KPÖ (wie diese und die heute 77-jährige Steindling behaupteten) oder Deutschland als DDR-Nachfolgerin? Letzteres ist der Fall, entschieden die Gerichte 2006.
Warum die jetzige Entscheidung für die BA trotzdem nur ein "Etappensieg" ist: Die Zürcher Richter müssen nun noch einmal darüber befinden, ob die Schweizer Banker Steindling das Geld 1991/92 überhaupt noch auszahlen durften. Denn damals hatte die deutsche Treuhandanstalt das DDR-Vermögen schon übernommen, was die Banker laut ihrer Darstellung nicht wussten - aber wissen hätten müssen, wie die Zürcher Zweitrichter meinten.
So abenteuerlich wie die ganze Geschichte rund um die Novum und die einstige KPÖ-Finanzerin Steindling, Witwe eines Holocaust-Überlebenden und perfekt vernetzte Pionierin des Ost-Handels in Wien, war der Weg des Geldes. Ab Mai 1991 ließ Steindling die Länderbank 1,8 Mrd. Schilling (rund 130 Mio. Euro) von Novum-Konten in die Schweiz überweisen, bis Februar 1992 waren sie wieder weggeschafft. Laut Zürcher Urteil hat die Länderbank das Geld Steindling nämlich wieder ausbezahlt, und zwar in Wien und in bar. In 51 Tranchen à 20 bis 60 Mio. Schilling. Noch heute erinnern sich damalige Länderbanker daran, wie "die Geldpakete im Kassenraum für Steindling bereitstanden, ein Köfferchen hat ihr jeweils zum Abtransport gereicht".
Geld gefunden?
Die Juristen der Bank Austria wollen nun aber beweisen können, dass ein großer Teil der eingeklagten 128 Mio. gar nicht verschwunden sind. 42 Mio. Euro davon seien 1991/92 bei Österreichs Fiskus gelandet: in Form von Steuernachzahlungen der Novum für Provisionen im KPÖ-Reich.
Weitere 72 Mio. Euro (100 Mio. Dollar) habe Steindling 1992 in der Schweiz als Sicherheitserlag deponiert. 2009 habe sie sich per Vergleich verpflichtet, das Geld für Deutschland freizugeben. Die Deutschen hätten schon kassiert. Was den Rest - also 14 Mio. Euro ohne Zinsen - betrifft, will die Bank nun einen Vergleich mit den Deutschen herbeiführen. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe; 3./4.12.2011)