Frankfurt/München/Berlin/Tel Aviv - Der Nahost-Dreiergipfel von US-Präsident George W. Bush und den Ministerpräsidenten Israels und Palästinas am gestrigen Mittwoch in der jordanischen Hafenstadt Akaba ist am Donnerstag Gegenstand zahlreicher internationaler Pressekommentare.

Israelische "Haaretz": "Tiefgreifende Umwälzungen" notwendig

"Das Gute an der amerikanischen Initiative ist, dass sie ein Programm festlegt, das beide Seiten dazu zwingt, mit den Ausreden aufzuhören, die bis jetzt eine Auseinandersetzung mit dem Kern des Konflikts verhinderten. Die Palästinenser müssen entscheiden, ob sie sich mit der Existenz Israels, mehr oder weniger in den Grenzen von 1967, abfinden und auf den Traum der Rückkehr verzichten können. Israel muss entscheiden, ob es den Traum vom Behalten der besetzten Gebiete aufgibt und die Einrichtung eines unabhängigen und lebensfähigen palästinensischen Staates akzeptiert. (...) Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, sind tiefgreifende Umwälzungen in den Einstellungen beider Völker und in ihrem Verhalten miteinander notwendig. Ohne dies wird der Gipfel in Akaba nicht als neues Kapitel in ihren Beziehungen, sondern nur als weiterer PR-Trick in die Geschichte eingehen."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":

"Wie oft ist das Wort 'historischer Moment' schon gebraucht worden, wenn Israelis und Palästinenser einen neuen Anlauf in Richtung Ausgleich unternahmen, der wenig später von einem zwanghaft ablaufenden Mechanismus aus Terrorismus und alltäglicher Gegengewalt durchkreuzt wurde? Allzu oft war ein 'historischer Moment' nur Wegbereiter einer noch größeren nahöstlichen Hoffnungslosigkeit. (...) Unerlässlich und notwendig ist das amerikanische Engagement auf jeden Fall. Wäre dann ein Friedensschluss wirklich unmöglich? Auf merkwürdige, von Amerika erzwungene Weise könnten dafür nun die Voraussetzungen gegeben sein. Ausgerechnet Sharon hat einen palästinensischen Staat in einem zusammenhängenden, nichtzersplitterten Territorium akzeptiert. (...) Abbas hat Israels Existenzrecht bekräftigt und den militärischen Aufstand der Palästinenser praktisch für beendet erklärt. Und ausgerechnet Bush, der Clinton darin so gar nicht nacheifern wollte, hat das Grundanliegen der Palästinenser adoptiert."

"Süddeutsche Zeitung":

"Die Protagonisten beim Handschlag unter Palmen - auf dieses Bild hat die Welt lange gewartet. Doch Strahlkraft entfalten derzeit vor allem die Symbole. In der Substanz bleibt noch vieles im Dunkeln. Jenseits aller Bekenntnisse zum Frieden, die wichtig sind und heilsam wirken können, zeichnet sich nämlich in all den altbekannten Konfliktpunkten zwischen Israelis und Palästinensern keine Einigung ab. Auch die von Bush vorgelegte Roadmap ist zwar klar in den Zielen - Sicherheit für Israel, Staatlichkeit für die Palästinenser. Aber diese 'Straßenkarte' enthält keine klare Wegbeschreibung. Das Thema Jerusalem zum Beispiel inklusive der Aufteilung der heiligen Stätten sowie die Frage des Rückkehrrechts für palästinensische Flüchtlinge sind nicht einmal ansatzweise besprochen. Hier könnte der Aufbruch leicht in der Sackgasse enden..."

"Die Welt":

"Mit dem Sieg über den Irak sind die USA zu einer arabischen Macht geworden, die nicht nur verwaltet, sondern auch gestaltet. Neben dem Irak gilt das nun auch für Israelis und Palästinenser. (...) Während der palästinensische Premier Abbas das Ende der Intifada ankündigt, spricht Israels Regierungschef Sharon von einem zusammenhängenden Palästinenserstaat. Jubel-Arien freilich sollte man vermeiden. (...) Abbas und Sharon müssen schmerzliche Kompromisse eingehen, Zugeständnisse, die sie an den Rand ihrer politischen Existenz führen werden. Nur mit amerikanischer Hilfe und Druck aus Washington werden sie den eingeschlagenen Weg halten. Von Amerika hängt alles ab."

"Stuttgarter Nachrichten":

"Sollte tatsächlich der Teufelskreis der Gewalt unterbrochen werden können, wäre dies eine wunderbare Nachricht für die Welt. Doch die in Akaba gelegte Basis für einen friedlichen Ausgleich ist reichlich schütter. Noch vor wenigen Tagen beherrschten Selbstmordanschläge und israelische Vergeltungsaktionen die Schlagzeilen. Zudem ist Sharon nur zu einem minimalen Abbau jüdischer Siedlungen im Westjordanland bereit. Es ist kaum vorstellbar, dass die Palästinenser einen Flickenteppich als Staatsgebiet akzeptieren."

"General-Anzeiger":

"Keine Frage: Vor allem durch den Druck der Amerikaner ist wieder Bewegung in den Friedensprozess gekommen. Plötzlich scheint möglich, was vor Wochen noch undenkbar war - zum Beispiel die Räumung von israelischen Siedlungen im Westjordanland und im Gaza-Streifen. Dass ausgerechnet Sharon, bisher der stärkste Mentor des - auch illegalen - Siedlungsbaus, sich auf dieses Zugeständnis einlassen muss, fällt wohl unter die Kategorie Ironie der Geschichte. Der Dreiergipfel in Akaba zeigt allerdings, welche Unwägbarkeiten noch über dem Friedensprozess liegen. Die Konfliktparteien haben zwar die 'Straßenkarte zum Frieden' akzeptiert; aber eine Karte haben bedeutet noch nicht, dass man sie auch in allen Details lesen kann - oder will. Es gibt viele Möglichkeiten, noch vom Weg abzukommen. Die Nahost-Geschichte lehrt, dass Skepsis durchaus angebracht ist."

"Hufvudstadsbladet" (Helsinki):

"Die Intensität, die US-Präsident Bush an den Tag legt, wenn er jetzt Israelis und Palästinenser auf den Weg in Richtung Frieden lotst, ist hoch willkommen und kommt bestimmt nicht zu früh. Jedes vergeudete Leben auf beiden Seiten ist eine Niederlage für die Anstrengungen beim Aufbau einer friedlicheren und sichereren Welt. (...) Man kann sich fragen, warum Bush gerade jetzt sein politisches Gewicht für den Friedensprozess einsetzt. Eine Ursache ist sicher die ausgestandene aktive Phase beim Irak-Krieg. Die Präsidentschaftswahlen in den USA im November 2004, bei denen Bush wiedergewählt werden will, eine andere. Auch der Bedarf an positiven Signalen für die arabische Welt nach dem wenig populären Irak-Krieg dürfte eine Rolle spielen."

"The New York Times":

"Eines der größten Hindernisse im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern war die egozentrische Weise, in der jede Seite den Streit gesehen hat. Keine der beiden Seiten schien zumindest den Versuch zu machen zu begreifen, wie die andere sich fühlt. Das ist der Grund, warum das gestrige Treffen in Akaba ein mächtiges Omen für eine mögliche Veränderung war. (...) Was die gegenwärtige Anstrengung für den Frieden von früheren, gescheiterten Versuchen abheben könnte, ist das Beharren darauf, dass sich jeder Führer die Sorgen des anderen vergegenwärtigt, indem er sich mit den Störenfrieden in seinem eigenen Lager auseinandersetzt."

"Algemeen Dagblad":

"Große Worte und unwahrscheinlicher Optimismus können die riesigen Probleme, die Israelis und Palästinenser schon so lange getrennt haben, nicht ohne weiteres in den Hintergrund drängen. Offiziell wird viel erwartet von diesem Fahrplan, den bisher keiner der Betroffenen abzulehnen wagte. Sharon und Abbas werden allerdings erkannt haben, dass der Plan höchstens der Anfang eines neuen Versuchs sein kann, Frieden im Nahen Osten zu Stande zu bringen. Im Hinblick auf die Gewaltspirale der vergangenen Jahre, die tausenden Israelis und Palästinensern das Leben gekostet hat, muss aber jeder Versuch zur Annäherung genutzt werden."

"Corriere della Sera":

"Es bleiben einige Fragezeichen. Das erste betrifft den palästinensischen Regierungschef Abbas und dessen Fähigkeit, bei seinen Landsleuten die Beendigung des Terrors durchzusetzen. Das zweite betrifft Sharon und seine Absichten. Er hat jetzt zugegeben, dass Israel eine Besatzungsmacht in den palästinensischen Gebieten ist. (...) Ein Problem sind nicht nur die jüdischen Siedler auf palästinensischem Gebiet, sondern auch jene Mauer, die die Israelis zwischen beiden Gemeinschaften bauen. (...) Es reicht daher nicht aus, die Gespräche zu leiten. Der US-Präsident muss den Mut haben, ein wirklicher Vermittler zu sein, mit Ausgewogenheit, Unparteilichkeit und Weitsicht."

"Neue Zürcher Zeitung":

"Sharon stellte eine energische Terrorbekämpfung (...) allem anderen voran; humanitäre Erleichterungen, Respekt für die Würde und die Menschenrechte der Palästinenser kamen erst nachher. Die Roadmap verlangt von Israel ein unmittelbares Ende jeglicher Gewalt gegen Palästinenser, was Sharon im Sinne seiner Terrorbekämpfung schuldig blieb. (...) Praktisch fehlen Abbas die Mittel zu einem Machtkampf mit den radikalen Palästinensermilizen. Er strebt ein Stillhalteabkommen mit ihnen an, welches sich auf die Aussicht eines israelischen Abzugs im Tausch für die Waffenruhe stützt. Dafür braucht Abbas jedoch amerikanische Garantien, welche bisher nicht erwähnt wurden."

"tageszeitung" (taz):

"Die Ähnlichkeit mit dem Oslo-Abkommen existiert nicht nur in der Bildersprache, sondern auch in der Konstruktion. Die Roadmap wiederholt einen der größten Fehler des Oslo-Abkommens: Wichtige Details bleiben ausgespart. Dieses Problem wird zutage treten, sobald die schönen Bilder der Friedensdiplomatie wieder denen des brutalen Alltags gewichen sind. Von den Palästinensern nämlich verlangt die Roadmap als ersten Schritt die Abschaffung des Terrorismus - und schon dies, ganz am Beginn des Friedensprozesses, ist eine unlösbare Aufgabe. Den Israelis sind dagegen zunächst nur 'vertrauensbildende Maßnahmen' auferlegt - das ist angesichts der gewaltigen Vorleistungen der Palästinenser, die immerhin ihr politisches System renoviert haben, zu wenig und zu ungenau. Die vorhersehbare Folge: Die Festnahme einiger Aktivisten wird Israel nicht genügen. Sharon wird einige illegale Außenposten einiger illegaler Siedlungen räumen lassen, was aber die Palästinenser nicht zufrieden stellen wird. So wird jede Seite der anderen auch weiterhin Unwillen vorwerfen - und selbst beteuern, alles in ihrer Macht Stehende zu tun."

"Der Tagesspiegel":

"Nach wie vor stehen sich die ultimativ erscheinende israelische Forderung nach einem offiziellen palästinensischen Verzicht auf das Rückkehrrecht vor Ausrufung des provisorischen Staates Palästina und die als ebenso unverrückbar geltende Ablehnung dieser Forderung durch die Palästinenser gegenüber. Festzuhalten bleibt, dass sowohl die israelische Forderung als auch die palästinensische Ablehnung nicht nur von den jeweiligen Regierungen, sondern von jeweils praktisch allen politischen Parteien und den Bevölkerungen kompromisslos unterstützt werden." (APA/AFP/dpa)