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Altkanzer Schmidt beim SPD-Parteitag in Berlin.

Foto: REUTERS/Fabian Bimmer

Berlin - Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat die Deutschen eindringlich aufgerufen, sich in der Schuldenkrise in Europa solidarisch zu zeigen. "Wir brauchen auch ein mitfühlendes Herz gegenüber unseren Freunden und Nachbarn", sagte der 92-Jährige am Sonntag auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin. "Und das gilt ganz besonders für Griechenland." Ohne die europäische Integration drohe allen Staaten in Europa die Marginalisierung in der Welt.

Gemeinsame Verschuldung der Euro-Zone unerlässlich

Die Staaten der Euro-Zone müssten sich durchringen zu einer strikten Regulierung der Finanzmärkte. Einige zigtausend Finanzmarktakteure hätten die "politisch Verantwortlichen in Europa zu Geiseln gemacht", sagte Schmidt. "Es wird hohe Zeit, sich dagegen zu wehren." Auch an einer gemeinsamen Verschuldung der Euro-Staaten werde kein Weg vorbeiführen. "Zwangsläufig wird auch eine gemeinsame Verschuldung unvermeidlich werden", sagte der Altkanzler. "Und wir Deutschen dürfen uns dem nicht national-egoistisch verweigern."

In seiner mit Jubel und lang anhaltendem Beifall bedachten, gut einstündigen Rede mahnte Schmidt eindringlich dazu, die europäische Einigung voranzutreiben, deren größter Profiteur Deutschland sei. Der Euro sei nach Innen wie auch im Außenverhältnis stabiler als der amerikanische Dollar und als die Deutsche Mark in den letzten zehn Jahren ihres Bestehens. "Alles Gerede und Geschreie über eine angebliche Krise des Euro ist in Wirklichkeit leichtfertiges Geschwätz" von Medien und Politikern, sagte er.

Jede einzelne europäische Nation werde 2050 nur noch einen Bruchteil von einem einzigen Prozent an der Wertschöpfung in der Welt ausmachen. "Das bedeutet: Wenn wir die Hoffnung haben wollen, dass wir Europäer eine Bedeutung haben für die Welt, dann können wir das nur gemeinsam", sagte Schmidt. "Daraus ergibt sich das Interesse an einem integrierenden Zusammenschluss." Dies werde den Nationen in Europa durch ihre Regierungen aber leider nicht bewusst genug gemacht.

Schmidt warnt vor deutscher Führungsrolle

Im Ausland löst die deutsche Rolle nach Schmidts Worten wieder Unbehagen aus. "In den allerletzten Jahren sind erhebliche Zweifel an der Stetigkeit der deutschen Politik aufgetaucht", sagte Schmidt. "Das Vertrauen in die Verlässlichkeit der deutschen Politik ist beschädigt." Dies gehe auf außenpolitische Fehler der deutschen Politiker und Regierungen zurück, beruhe aber auch auf der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands. Es gebe eine "wachsende Besorgnis vor deutscher Dominanz".

Eindringlich warnte Schmidt vor einem Streben Deutschlands nach einer Führungsrolle. "Wenn wir Deutschen uns verführen ließen, gestützt auf unsere ökonomische Stärke, eine Führungsrolle in Europa zu beanspruchen (...)," würden sich die Nachbarn dagegen wehren. Als Folge würde die EU verkrüppeln, Deutschland geriet in die Isolation.

Indirekt kritisierte Schmidt Politiker von Union und FDP. Wenn jemand wie Unions-Fraktionschef Volker Kauder zu verstehen gebe, heute und künftig werde in Europa Deutsch gesprochen, oder ein anderer meine, eine europäische Transfer-Union verhüten zu müssen - "dann ist das alles bloß schädliche Kraftmeierei". (Reuters)