In Friesach werden Arbeiter in traditionelle Handwerkstechniken eingeschult, den Besuchern gefällt's offenbar. 15.000 Menschen besuchten heuer das Burgbauprojekt in Kärnten.

Foto: Burg Friesach Errichtungs-GmbH

Friesach - Was hat Vorrang: Tourismus oder Wissenschaft? An dieser Frage hat sich beim mittelalterlichen Burgbauprojekt Friesach ein schwerer Konflikt zwischen der Kärntner Gemeinde und den wissenschaftlichen Projektinitiatorinnen Gertrud Pollak und Renate Jernej entzündet - mit neuzeitlichen Konsequenzen. Pollak wurde gekündigt. Jernej glaubt, sie sei dem "Köpferollen" nur entgangen, weil sie Betriebsrätin ist.

Die Gemeinde will aus dem Burgbauprojekt einen Themenpark machen, die Wissenschafterinnen laufen Sturm dagegen. "Es ginge genau das verloren, was das Projekt besonders macht", warnt Jernej und verweist auf die vielen Besucher, die gerade darum kämen, weil hier alles "authentisch und nicht inszeniert" sei.

Seit 2009 wird in Friesach an einer mittelalterlichen Burg gebaut - mit mittelalterlichen Methoden: Bewusst wird auf alles verzichtet, was der technische Fortschritt in den letzten Jahrhunderten an Erleichterungen gebracht hat. Die Arbeiter werden - unter wissenschaftlicher Begleitung durch die Universität Klagenfurt - in traditionelle Handwerkstechniken eingeschult und bewahren diese dadurch vor dem Aussterben.

Beschäftigung für Langzeitarbeitslose

Die zweite Besonderheit bei dem auf 30 Jahre angelegten Projekt: Langzeitarbeitslose werden beschäftigt. Bis zu 25 Arbeiter sind auf der Baustelle tätig, einige bildeten sich nach Saisonende selbstständig weiter.

15.000 Besucher im heurigen Jahr sind für die Wissenschafterin der Beweis für den Erfolg des Projekts - für Bürgermeister Josef Kronlechner, der die Stadt als Eigentümer vertritt, ist es jetzt jedoch an der Zeit, die touristische Nutzung zu verbessern: "Wir haben das Projekt ja deshalb beschlossen, weil wir die Region beleben wollen", sagt Kronlechner. Von Pollak habe man sich deshalb getrennt, weil es "Auffassungsunterschiede gab, wie es weitergehen soll", sagt der Bürgermeister auf Anfrage des Standard.

"Kein Themenpark"

Das Finanzierungskonzept sieht bis 2016 6,5 Millionen Euro vor: Zwei Millionen kommen vom AMS, 300.000 Euro von der EU und eine Million von der Gemeinde Friesach, den Rest trägt das Land bei. Ohne Sponsoren werde es aber nicht funktionieren, fürchtet Jernej. "Heuer haben wir wegen der Umstrukturierungen schon Sponsoren verloren."

Dass ein Themenpark mit Events und Inszenierung kommt, dementiert der Bürgermeister: "Der Baubereich soll authentisch bleiben", sagt Kronlechner. Er wolle lediglich rundherum einige Attraktionen anbieten, um mehr Besucher anzuziehen. Zudem sei geplant, ein Besucherzentrum und WC-Anlagen zu bauen und die Kulinarik zu verbessern.

Ab 2016 soll sich Projekt selbst erhalten

Auch der mit 1. Dezember angetretene Geschäftsführer Jürgen Freller bestätigt: "Es kommt kein Walt-Disney-Park." Freller ersetzt Hans Steiner, der im Sommer seinen Chefposten bei dem Projekt zurückgelegt hat. Auch hier der Grund, laut Bürgermeister: "Auffassungsunterschiede."

Bis 2016 ist die Finanzierung in Friesach gesichert - danach soll sich das Bauprojekt selbst erhalten. Bei dem als Vorbild dienenden französischen Projekt in Guédelon funktioniert das: Seit 1997 wird in Burgund eine Burg gebaut. Anfangs belächelt, ist Guédelon längst zum Touristenmagneten mit 300.000 Besuchern pro Jahr geworden und kann sich mit Eintrittsgeldern selbst finanzieren. (Jutta Kalian, DER STANDARD, Printausgabe, 5.12.2011)