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Was als altes Brauchtum gilt, endet oft damit, dass hinter der Anonymität der Krampusmasken den Aggressionen freier Lauf gelassen wird.

Foto: AP/Reuters/Joenson/Collage: Leitner

Salzburg/Innsbruck - Sie läuten ihre Glocken, drohen mit Ruten und jagen Kindern Angst ein. Der Krampus hat in Österreich eine lange Tradition. Doch die Lust am Erschrecken artet oftmals in Gewaltattacken und brutale Übergriffe aus. Am Wochenende brach ein Krampus einer 13-Jährigen in Niedernsill im Salzburger Pinzgau das Wadenbein. Der Maskierte soll die Schülerin niedergetreten und mehrmals mit einem Stock auf ihren Unterschenkel eingeschlagen haben. Die Polizei fahndet nun mit Hilfe von Fotos und Videos nach dem Täter.

Im Tiroler Ort See im Paznauntal erlitt eine Frau am Sonntag eine Gehirnerschütterung und Schädelprellung, weil ein betrunkener Krampus ihr mit voller Wucht seine selbst angefertigte Peitsche ins Gesicht schlug. Der 21-jährige mutmaßliche Täter wurde angezeigt.

Zu derartigen gewaltsamen Ausschreitungen dürfte es bei Krampusläufen eigentlich nicht kommen. Die behördlichen Auflagen für Krampusumzüge würden theoretisch immer strenger, erklärt Hannes Brugger, der Obmann der Altgnigler Krampusse. Jeder Maskierte muss sich registrieren lassen, um so jederzeit ausgeforscht werden zu können. Auch das Sicherheitsaufgebot ist gestiegen. Beim Krampuslauf im Salzburger Stadtteil Gnigl etwa werden die 10.000 Besucher durch eine Komplettvergitterung von den 750 teilnehmenden Krampussen getrennt. Rund 200 Ordner, die der Verein stellt, sorgen zusätzlich für Sicherheit. Zudem herrsche absolutes Alkoholverbot und auch die traditionellen Ruten dürfen nicht verwendet werden.

Wenn der Veranstalter aber keine klaren Regeln aufstelle, oder diese nicht überprüfe, dann komme es immer wieder zu Problemen, betont Brugger. "So werden alle Krampusse in Verruf gebracht. Das schadet dem Brauch", kritisiert Brugger.

Gewalt als Ventil

"Bei Maskenbräuchen besteht immer die Gefahr, dass der Maskierte in der Verkleidung ein Ventil aus seinem Alltag sieht, wo er anonym Dinge ausleben kann", betont der Brauchtumsforscher Hartmut Prasch. Bei Maskenbräuchen spiele deshalb auch Gewalt immer eine Rolle. Insgesamt sei der Brauch aber nicht gewalttätiger geworden. Eher im Gegenteil. Bis in die späten 80er-Jahre waren die Krampusläufe ein "unorganisiertes, wildes Treiben", erklärt der Brauchtumsexperte.

Gerade in ländlichen Gegenden galten die Krampusrummel seit jeher als Kräftemessen zwischen Maskierten und Unmaskierten, die sich gegenseitig provozierten. Auch die verschiedenen Krampusgruppen seien aufeinander losgegangen, sagt Prasch. Die Aggressionen der verschiedenen Gruppen schaukelten sich meist auf, und so sei es vermehrt zu Gewaltattacken gekommen. Heute hätten die großen Krampusumzüge, die es erst seit rund 20 Jahren gibt, aber eher die Funktion, die aufwändig gestalteten Kostüme und die meist selbstgeschnitzten Holzmasken zu präsentieren, betont der Brauchtumsforscher. Sie sind durchorganisiert und der Umzug gleiche mehr einem Show-Auftritt als dem echten Brauch. (Stefanie Ruep, DER STANDARD; Printausgabe, 6.12.2011)