Die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl plädiert für eine Ganztagsschule

Wien - Für die flächendeckende Einführung von ganztägigen Schulformen spricht sich die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (S) aus. Demnach sollten die Schulkinder (ab einem bestimmten Alter) von Montag bis Freitag auch am Nachmittag die Schulbank drücken, samstags gäbe es keinen Unterricht. Nicht vorgesehen ist nach der Volksschule dabei eine Trennung in Hauptschule und AHS-Unterstufe. Weitere Vorschläge Brandsteidls bei einem Hintergrundgespräch: Die Einführung eines Modulsystems in der Oberstufe, bilingualer Unterricht ab der Volksschule, verpflichtende Berufs- und Studienberatung für die Schüler und für die Lehrer verpflichtende Weiterbildung. Als Vorbild für ihre Ideen nannte sie die zwölf Europäischen Schulen in der EU.

"Halbzeitschule"

Die derzeitige Situation mit dem Ende des Unterrichts um halb zwei Uhr nachmittags bezeichnete Brandsteidl als "Halbzeitschule". Die in Bildungsvergleichsstudien erfolgreichen Länder verfügten hingegen zumindest über ein "Drei-Viertel-Tag-System". Als Eck-Rahmen für die Schulzeiten schwebe ihr etwa "acht Uhr x" und 15.30 Uhr vor. Dies brächte neben pädagogischen Vorteilen nicht zuletzt Verbesserungen für die Lage berufstätiger Frauen - und ganz so neu seien ganztägige Schulformen auch nicht: In Wien würden schon derzeit mehr als die Hälfte der Kinder an Schulen mit Nachmittagsbetreuung unterrichtet.

Bis ins Alter von 15 Jahren würden die Kinder nach den Vorstellungen Brandsteidls nach dem Vorbild der Europäischen Schulen eine einzige Schulform besuchen, die derzeit nach der Volksschule anstehende Trennung in Hauptschule und AHS-Unterstufe entfällt. Nach der Unterstufe könnte neben einem allgemeinbildenden Bereich auch ein berufsbildender Zweig angeboten werden.

Die Einführung eines Modulsystems in der Oberstufe, in der einzelne Fächer gestrichen und dafür andere vertiefend gewählt werden können, will Brandsteidl schon demnächst an einer Wiener Schule erproben. Dies bedeute nicht unbedingt, dass dieses System auch teurer sein müsse, meinte der Direktor der Sekundarstufe an der Europäischen Schule München, Helmuth Aigner. Kurse, die nicht dem Interesse der Schüler entsprechen, würden dann einfach nicht gehalten. Die Schüler wiederum würden durch das System zu mehr Eigenverantwortlichkeit erzogen.

Wiener Matura

Ein weiterer Bestandteil der Reformpläne Brandsteidl betrifft Änderungen bei der Matura: Neben der von ihr bereits vorgeschlagenen Zentralmatura müsste diese auch Änderungen bei den Berechtigungen enthalten. Ein österreichisches Reifeprüfungszeugnis solle auch die Option auf ein Studium in allen EU-Staaten beinhalten. Akzente will sie auch bei der Qualitätsentwicklung setzen - hier sollte der Dienstgeber "sehr offensiv auftreten" und die Pädagogen zur Weiterbildung verpflichtet werden.

ÖVP gegen "Zwangtagsschulen"

Gegen eine flächendeckende Einführung von ganztägigen Schulformen spricht sich die ÖVP aus: Für ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon stellen diese "Zwangstagsschulen" dar. Brandsteidls Vorstoß sei nur auf freiwilliger Basis und unter privater Beteiligung durchführbar, so Amon in einer Aussendung. Außerdem sei die Stundenbelastung der Schüler in der Oberstufe ohnehin so hoch, dass an fast allen Nachmittagen unterrichtet werden müsse.

Auch auf die von ihr "zum x-ten Mal vorgebrachte Forderung nach einer Gesamtschule" habe die "brave Ideologie-Trommlerin" Brandsteidl "nach langem Kramen in der Motten-Kiste mit Uralt-SPÖ-Forderungen" nicht vergessen, kritisierte Amon. Die Stadtschulratspräsidentin solle vielmehr stolz auf das differenzierte Schulwesen sein und "nicht andauernd versuchen, alle Schüler in einen Topf zu werfen". Auf unterschiedliche Interessen und Begabungen müsse schon vor dem fünfzehnten Lebensjahr eingegangen werden können.

"Versuch der Nivellierung des Unterrichtsniveaus"

Brandsteidls Vorschlag stelle den "Versuch der Nivellierung des Unterrichtsniveaus" dar, meinte der VP-Bildungssprecher. In diesem Zusammenhang sei auch die Forderung nach einer Zusammenlegung der allgemeinbildenden und berufsbildenden höheren Schulen zu sehen und die von Brandsteidl favorisierte Zentralmatura. Beabsichtigt sei damit "eindeutig" eine Qualitätsabsenkung auf das niedrigere Wiener Niveau".(APA)