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Schmerztherapeutische Betreuung bedeutet ein auf den Patienten zugeschnittenes Schmerzmanagement.

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Grafik: APA

Wien - Jeder fünfte erwachsene Österreicher leidet - Schätzungen zufolge - an chronischen Schmerzen. Bei der Versorgung der 1,7 Millionen Betroffenen besteht durchaus Optimierungsbedarf, belegt eine aktuelle Studie des Joanneum Research, deren Ergebnisse bei einer Pressekonferenz in Wien vorgestellt wurden. So dauere es im Schnitt vier Jahre bis zur richtigen Behandlung. Mehr als 440.000 Menschen brauchen eine dauernde ärztliche Versorgung aufgrund von "schweren Dauerschmerzen".

Ziel des aktuellen Berichts zur "Versorgungssituation bei Schmerz in Österreich" des Joanneum Research war es in erster Linie, einen Überblick über die momentane bundesweite Lage - inklusive einer Analyse von Strukturen und Prozessen - und Empfehlungen für eine Verbesserung der Lage vieler Patienten zu schaffen, erklärte die gebürtige Engländerin Schmidt. Nicht zuletzt deshalb, weil Schmerz zu den häufigsten Ursachen für Krankenstände, Berufsunfähigkeit und Frühpension zähle, Tendenz steigend. Mit rechtzeitiger und adäquater Behandlung könnte außerdem verhindert werden, dass der Schmerz chronisch wird.

Langer Weg bis zur Therapie

Laut Autorin Louise Jane Schmidt zählen die langen Zeiträume zwischen Symptomen, Diagnose und Behandlung zu den Hauptproblemen, was unter anderem an der mangelnden interdisziplinären Zusammenarbeit liege. So vergehen laut der Studie im Schnitt zwischen 1,7 und drei Jahre bis zur Diagnose und weitere elf Monate bis zur Behandlung. Oft werden mehrere Ärzte aufgesucht, bis am Ende des Leidensweges eine adäquate Behandlung gefunden wird.

"Besonderen Versorgungsbedarf gibt es bei den 'Schmerzrandgruppen' wie Kopfschmerz, Rückenschmerz, Neuropathischer Schmerz aber auch bei schmerzbedingten Depressionen", sagt Christian Lampl, Präsident (elect) der Österreichischen Schmerzgesellschaft. Die Versorgungsstruktur beim onkologischen Schmerz hingegen sei als gut bzw. ausreichend zu bewerten.

Individuelles Schmerzmanagement

Schmerztherapeutische Betreuung bedeutet nicht nur die Gabe von Schmerzmedikamenten, sondern sie muss in ein auf den Patienten zugeschnittenes Schmerzmanagement und eine reflektierende Schmerzkommunikation münden. "Ist dies nicht der Fall und wird Schmerz nicht adäquat behandelt, kann dieser Ursache für Depressionen sein. Bei so gut wie allen Patienten finden sich erklärbare und meist auch nachfühlbare reaktive und schmerzbedingte Depressionen", so Lampl. Die psychosozialen Auswirkungen bei diesen Patienten sind offensichtlich und nachfühlbar: Familiäre Probleme, sozialer Rückzug, Probleme am Arbeitsplatz, drohende oder eingetretene Arbeitslosigkeit bzw. vorzeitige oder verweigerte Berentung mit finanziellen Einbußen und sozialem Abstieg, gefährdetes oder verloren gegangenes Selbstwertgefühl, zumindest zeitweilige Suizidalität.

Hohe Kosten

Konkrete Zahlen, Daten und Fakten über die Kosten bleiben rar, vor allem weil "Schmerz" keine Diagnose im Wortsinn ist. Schätzungen zufolge belaufen sich die direkten Kosten für chronische Schmerzen zwischen 1,4 und 1,8 Milliarden Euro, wobei Rücken und Kopf an erster Stelle liegen. Nicht spezifische Rückenschmerzen beispielsweise dürften aufgrund von Fehltagen und Krankenständen mit etwa 400 Millionen Euro jährlich zu Buche schlagen; dazu kommen die direkte Ausgaben für die Behandlung von etwa 170 Millionen Euro.

Neben einer Optimierung der vorhandenen Strukturen - etwa durch eine Entlastung der Ambulanzen und Verstärkung interdisziplinärer Zusammenarbeit - müsste die Prävention im Fokus stehen, erklärte Mediziner Bernhard Schwarz vom Institut für Sozialmedizin der Universität Wien. Er verwies darauf, dass dem Schmerz eine wichtige Aufgabe zukomme, nämlich als körperliches Warnsignal. Winfried Koller, Vorstandsmitglied der Steirische Akademie für Allgemeinmedizin, appellierte an die Eigenverantwortung der Patienten und forderte ein Ende von Mehrfachstrukturen. Mit 85 Schmerzambulanzen bundesweit kommt im Schnitt eine auf 100.000 Einwohner. Alternativ stehen 2,4 niedergelassene Ärzte mit Zusatzdiplom für Schmerzbehandlung zur Verfügung. Viele Patienten benötigen Zugang zu einer multimodalen (kombinierten, Anm.), interdisziplinären Schmerztherapie. (APA/red)