Die Philippinen sind der fünftgrößte Bananenproduzent weltweit.

Foto: derStandard.at/Julia Schilly

Die Pestizide bleiben nicht nur am Feld. Je nach Witterungslage kann man schon mit freiem Auge beobachten, wie der giftige Nebel über die Felder zu den Dörfern  wandert.

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Verginia Cataag verlor vor zwei Jahren ihren Sohn.

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Die Häuser der Bauern stehen zwischen den Plantagen, die dünnen Wände der Nipahütten schützen kaum gegen den Sprühregen.

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Am Morgen wurde in der Nähe von Cataags Dorfes gespritzt, die Schicht ist deutlich am Blatt zu erkennen.

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Die 57-Jährige baut die auf den Philippinen begehrte Stinkfrucht und Kakao an. Die Pestizide der Großkonzerne schädigen auch ihre Ernte.

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Zwischen den Bananenstauden ist es sehr still, die Tiere haben die Monokulturen verlassen. Nur die spielenden Kinder der Bauern sind mitunter zu hören.

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Plantagenbesitzer Ruben Ribinia hat Probleme mit einem Großkonzern, der über Nacht die Verträge änderte.

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Nur die noch grünen Bananen werden in einem kleinen Haus kontrolliert, sortiert, gewaschen und schließlich in Plastik verpackt und in Kartons verstaut.

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Das fertige Produkt wird nach Japan verkauft. Dort sind die Auflagen besonders streng, ähnlich wie in Europa.

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Nur makellose Bananen, die fast wie Plastik aussehen, können in den Handel kommen.

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Früchte mit kleinen Druckstellen oder Schäden werden auf einen Haufen geworfen. Sie werden entweder zu Dünger oder Bananenchips verarbeitet.

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In der Abenddämmerung türmt sich hinter einem Traktor meterhoch der blaue Dunst des Chemikaliennebels über dem Ananasfeld auf. Auch wenn man ihn nur mit dem Auto durchquert, liegt bald ein betäubendes Gefühl auf der Zunge und in der Nase. Es ist der Weg zu Verginia Cataags kleinem Dorf in der nordöstlichen Provinz Surigao del Sur auf Mindanao. Als die Straße endet, geht es zu Fuß durch einen dichten Wald von Bananenstauden weiter. Auf den Blättern klebt eine weiße Schichte der Pestizide, dazu mischt sich der süßliche Duft der Pestizide der benachbarten Ananasplantage, der im Freien die Luft in der Brust abschnürt.

Vor dem Haus der 57-Jährigen empfängt einen ein anderer Geruch. Für ihre Gäste hat sie eine nach verwesendem Fleisch riechende Durian, auch Stinkfrucht genannt, zerteilt: Das durch eine dicke, stachelige Schale geschützte Fruchtfleisch ist eine Delikatesse auf den Philippinen. Wenn die zierliche Frau spricht, wirken ihre Gesten befangen. Sie ist es nicht gewohnt, dass ihr zugehört wird. Niemanden hat es interessiert, als sie von den Auswirkungen der Besprühungen berichtet hat, der Atemnot, den Ausschlägen, der Übelkeit, dem rasenden Herzen und den Hustenattacken. "Ich habe diese Bananen gegessen und hatte Blut im Stuhl", berichtet Cataag.

Die Philippinen sind der fünftgrößte Bananenproduzent der Welt und liegen beim Export mit 3,2 Millionen Tonnen jährlich hinter Ecuador auf Platz zwei. Der Großteil der Exportproduktion erfolgt auf der Insel Mindanao, mit einer Fläche von rund 95.000 Quadratkilometern gut ein Zehntel größer als Österreich. In den vergangenen Jahrzehnten wurden große Waldflächen gerodet und umgewandelt: Insgesamt 40.000 Hektar werden auf den Philippinen für Bananenplantagen genutzt. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen: Die Regierung hat die Expansion dieses Wirtschaftszweigs zu den vorrangigen Entwicklungszielen ausgerufen. Dabei werden auch zunehmend Palmöl und andere Pflanzen zur Herstellung von Biotreibstoffen angebaut.

Vor dem giftigen Regen davongelaufen

"Ich arbeite nicht auf der Plantage, muss mein Essen aber abdecken, wenn gesprüht wird", sagt Cataag. Zweimal in der Woche entließen die Flugzeuge zu dieser Zeit ihre giftige Fracht: "Wir sind vor dem Sprühregen davongelaufen und haben uns in den Häusern verbarrikadiert." Denn trotz Einsatzes moderner GPS-Technik und bei Erfüllung der gesetzlichen Auflagen wird der Sprühnebel vom Wind drei Kilometer und weiter verweht. Das philippinische Gesundheitsministerium geht davon aus, dass fast 40 Prozent der vom Flugzeug ausgebrachten Pestizide nicht auf der vorgesehen Fläche landen. Gemeinsam mit den Plantagen werden die angrenzenden Häuser mit ihren durchlässigen, geflochtenen Wänden aus Nipapalmen in den chemischen Nebel gehüllt.

Auch bei Cataags Sohn machten sich zunächst Kopfweh und Husten bemerkbar, obwohl er auf keiner Plantage arbeitete, sondern nur daneben wohnte. Nach einigen Wochen war das Taschentuch blutig, dazu kam Übelkeit. Innerhalb weniger Monate starb er mit 18 Jahren am Weihnachtstag 2009 an Krebs.

Oft habe Cataag seither darüber nachgedacht wegzuziehen. "Doch das Land gehört mir und sonst besitze ich nichts. Wo soll ich hin?", fragt sie. Auf ihrem Grundstück baut sie ohne Pestizide Kakao und Durian an. Doch auch ihre Pflanzen werden durch das Gift der Plantagen stark beschädigt und das Wasser wird verunreinigt. Cataag zeigt auf die braunen Spitzen der Palmwedel, ein Zeichen, dass die Kokosnusspflanze von den aggressiven Pestiziden bereits angegriffen ist und bald eingehen wird. Der vergiftete Boden lässt zudem keinen Anbau von Reis und Getreide mehr zu. Eigentlich müsste laut Gesetz eine begrünte Pufferzone vor dem Verwehen der Spritzmittel schützen. Das aber mutet in Cataags Dorf eher wie eine Farce an: Kniehohe Hecken sollen vor dem meterhohen, giftigen Sprühnebel schützen.

Ein Gerichtsstreit, der alles entscheidet

Auf Mindanao, das 14 Millionen Einwohner hat, ist das Unternehmen Dole stark vertreten. Auf dem Label stehe "Dole: The ethical choice", berichtet eine Mitarbeiterin von IDIS (Interface Development Interventions Inc.) und kritisiert: "Sie setzen Menschen Pestiziden aus, ihre Praktiken sind nicht ethisch." IDIS wurde 1998 gegründet und macht sich gegen flächendeckende Besprühung stark. Unterstützt werden sie von der österreichischen Dreikönigsaktion. Vor knapp fünf Jahren konnte ein erster Erfolg verbucht werden: Durch eine Verfügung der Lokalregierung der Hauptstadt Davao City wurde das Pestizidsprühen mit Hilfe des Flugzeugs untersagt.

Die meist multinationalen Konzerne brachten jedoch rasch eine Gegenklage ein. Das Urteil sei verfassungswidrig und ungültig. Das zuständige Berufungsgericht in Cagayan de Oro entschied, dass bis zu einer endgültigen Entscheidung weiter mit Flugzeugen gesprüht werden darf. Die Begründung: Es seien sonst hohe wirtschaftliche Verluste zu befürchten. Die Besprühung aus der Luft ist kostengünstiger. Diese Entscheidung des Berufungsgerichts wird nun von der Stadtregierung von Davao sowie der Kampagnenplattform IDIS vor dem philippinischen Höchstgericht angefochten. Eine vom philippinischen Gesundheitsministerium in Auftrag gegebene und im November 2009 veröffentlichte Studie nennt die Praxis der Flugzeugbesprühungen "gefährlich und schädlich für die menschliche Gesundheit".

Süß, makellos und giftig

Die hohe Armut zwingt die Bauernfamilien trotz dieser Risiken, ihr Land der Plantagenwirtschaft zu unterstellen, da ihnen selbst oft die Technologie und das notwendige Kapital für eine Entwicklung ihrer Kleinbetriebe fehlen. Und nur makellose Bananen treten die Reise in das Ausland an. Dabei dringen die Konzerne immer weiter ins Hochland vor, da die dort angepflanzten Bananen süßer schmecken.

Was die Abhängigkeit von Konzernen bedeutet, kann Ruben Ribinia berichten. Es ist still auf seiner Plantage im Nordosten Mindanaos, einer Monokultur aus Bananenbäumen. Die meterhohen Stauden verschlucken alle Geräusche, viele Wildtiere finden kaum Nahrung und haben das Gebiet längst verlassen. Auch Bananen sind zunächst nicht zu entdecken. Die Früchte sind unter blauen Plastikhauben verborgen, die sie vor Schädlingen und Umwelteinflüssen schützen sollen. Der 60-Jährige entdeckt dennoch ein Loch in einem Sack. "Die Kinder haben beim Spielen schon die Verpackung runtergezupft", sagt er und stößt ein kehliges, raues Lachen aus.

Raschelnd entfernt er den dünnen Kunststoff und enthüllt die makellosen Früchte seiner Plantage. Der Anbau des Produkts Banane gleicht dem Jonglieren mit einem Ei. Die sehr empfindlichen Früchte werden vorsichtig eingepackt, regelmäßig kontrolliert und behutsam geerntet. Bereits kleine Kratzer bestimmen ihr Schicksal: Sie werden entweder als Dünger und Hühnerfutter weiterverarbeitet oder gelangen als teures Produkt in die Supermarktregale des heiklen Markts des Westens.

Die Plantage des achtfachen Vaters ist 9600 Quadratmeter groß. Auch er ließ sich vor Jahren auf einen Vertrag mit einer internationalen Bananenfirma ein. Der Konzern versprach ihm viele Vorteile und zunächst verlief die Zusammenarbeit gut. Die Probleme begannen nach fünf Jahren, als die Firma die Vereinbarungen änderte. Statt der bisherigen 3000 Schachteln pro Hektar sollten 5400 abgeliefert werden. Eine Schachtel enthält 13,5 Kilo Bananen. Als der Bauer und seine Mitarbeiter nicht mehr in der Lage waren, diese Auflagen zu erfüllen, wurden ihm durch das Unternehmen zusätzliche Kräfte geschickt, die er selbst bezahlen musste.

Zudem wurden für mehr Ertrag chemische Spritzmittel auf dem Land eingesetzt, das Ribinias Ehefrau gehört. Zwei- bis dreimal pro Woche lag der Geruch in der Luft, die Männer auf den Plantagen spürten bald gesundheitliche Folgen wie Hautreizungen und Erbrechen. Zumindest das Sprayen durch Flugzeuge wurde in dieser Region vor einigen Jahren gestoppt. Doch die Umweltschäden sind bereits da: Das Grundwasser ist verseucht und nicht mehr nutzbar. Die Bewohner sammeln daher zum Trinken Regenwasser.

Symbol für viele Familien

"Meine Familie leidet. Wir können die Schulden nie wieder zurückzahlen", sagt der hagere Mann mit der ledrigen Haut. IDIS versucht den Bauern dabei zu unterstützen, den Vertrag neu aufzusetzen - zu gerechten Bedingungen. Ribinia betont, dass er kein Einzelfall ist: "Ich bin nur ein Beispiel von vielen hier." Auch Verginia Cataag steht nur als Symbol für viele Schicksale in der Region: "Ich werde jeden Monat weniger wütend, aber dass das Versprühen von Pestiziden noch immer nicht generell verboten ist, reißt die Wunden immer wieder auf." (Julia Schilly, derStandard.at, 11.1.2012)