Bei interkulturellen Trainings, die Unternehmen ihren ins Ausland zu entsendenden Mitarbeitern (Expats) anbieten, gibt es ein grundsätzliches konzeptionelles Problem, sagt Jonas Puck, Leiter des Institute for International Business an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Zum einen sei dies darin begründet, als diese Trainings meist als sogenannte "pre-trainings" angeboten werden, also noch vor einer Entsendung in ein fremdes Land, und dann die zukünftigen Expats auf Probleme vorbereitet werden, die meistens nicht in der vorgetragenen Form respektive gar nicht eintreten. Zum anderen zeige die Erfahrung, dass nicht wenige Unternehmen interkulturelle Trainings danach auswählen, ob sie Mitarbeitern gefallen haben oder eben nicht. Logisch also die Frage des Professors nach der angebotenen Qualität: "Was heißt denn das, wenn ich einen Kursteilnehmer gleich im Anschluss an eine Veranstaltung frage, wie es für ihn oder sie war?"
Die Crux an der Sache sei zudem, dass diese Antworten meist noch vor einer Entsendung gegeben werden - also bevor man das Erlernte überhaupt einem glaubhaften Reality-Check unterziehen konnte.
Vor Ort trainieren ist günstiger
Pucks Aussagen gründen auf einer Untersuchung, die er gemeinsam mit Markus G.Kittler (University of Stirling) und Christopher Wright (University of Sydney) durchgeführt hat und die in The International Journal of Human Resource Management 2008 publiziert wurde. Der Artikel "Does it really work? Re-assessing the impact of pre-departure cross-cultural training on expatriate adjustment" widmet sich in der Folge - und eben auch in seiner Conclusio - der Frage, ob sich oben beschriebene interkulturelle Trainings überhaupt rechnen.
Die Antwort: Nein. Und das sei kein überraschendes Ergebnis, so der Nachsatz. Weil - und die Gründe liegen auf der Hand - die Probleme eines Expats zum einen viel vielschichtiger gelagert sein können (Leben mit oder abseits der einheimischen Bevölkerung, Arbeiten in einer neuen Kultur/Struktur, psychische Belastungen, etc.) und man zum anderen erst dann draufkommt, wenn man tatsächlich im anderen Land entsprechende Erfahrungen gemacht hat. Es sei günstiger und auch effizienter, weil punktgenauer, vor Ort interkulturelle Trainings anzubieten, ist Puck überzeugt.
Aus Sicht des Anbieters werden naturgemäß wiederum auch andere Interessen schlagend. Viele, die ihre Programme evaluieren lassen, sagt Puck, machen das in Form einer Wahrnehmungsevaluation. Puck: " Das können Sie dann auf den entsprechenden Homepages sehen" - "80 Prozent unserer Kunden sind mit den Trainings zufrieden" kann man dann lesen. Das allein sei aber kein Qualiätskriterium, weil es weder etwas darüber aussagt, was die Leute gelernt haben, noch darüber, ob das Gelernte auch anwendbar war bzw. ist.
Ein zusätzliches Problem in diesem Bereich sei, so Puck weiter, dass jeder - ohne spezielle Ausbildung - interkultureller Trainer werden kann. Puck: "Wenn man böse sein will, könnte man sagen, dass sie von dem, was sie da anbieten - auch wenn sie davon auch nicht die geringste Ahnung haben - gut leben können." So selten sei das nicht, mahnt er ernstzunehmende Qualitätskriterien respektive Zertifizierungen ein.
Auf die Frage, wie es ihm - Puck war in China und längere Zeit in Australien tätig - als "Expat" ergangen sei und ob es in gewisser Weise vielleicht einfacher ist, weiter weg bzw. in ein sogenanntes exotisches Land entsandt zu werden, sagt er: "Ich habe mich vor Australien und China immer darauf eingestellt, dass die Welt dort ganz anders sein wird als zu Hause. Jetzt bin ich aber Deutscher und lebe in Österreich - und ich habe festgestellt, es gibt da Unterschiede, mit denen ich gar nicht gerechnet habe. Vielleicht gibt es den Effekt, dass man denkt, je weiter weg ich bin, umso eher erwarte ich Unterschiede. Ich glaube, bei mir war das so." (Heidi Aichinger/DER STANDARD; Printausgabe, 10./11.12.2011)