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Werner Lampert (65) gründete 1994 die Bio-Produktpalette "Ja, natürlich" bei Billa. 2003 verließ er Rewe Austria und kreierte die Marke "Zurück zum Ursprung" bei Hofer.

Foto: APA/Hofer KG/Ehm

Standard: Nicht nur die konventionelle Landwirtschaft, auch die biologische ist für Skandale anfällig, wie man jetzt in Italien sieht. Woran liegt das?

Lampert: Was in Italien geschehen ist, ist kein sozusagen normaler Bioskandal, keine Panne, sondern eine Zäsur. Das Ausmaß ist riesig, auch in Österreich sind Biomarken betroffen. Etwa solche, die ausländische Futtermittel zugelassen haben. 

Standard: In Italien soll ein Fünftel des österreichischen Bioprodukt-Umsatzes konfisziert worden sein. Wie konnte ein Skandal dieses Ausmaßes entstehen? 

Lampert: Ich denke, hier handelt es sich um organisiertes Verbrechen, das durch die Profitmargen angelockt wurde, die es bei der Bioproduktion gibt. Das hat die Schwachpunkte der Kontrollen beinhart aufgedeckt: dass man sich eine Kontrollstelle offenbar kaufen konnte, die Zertifikate ausstellten, sodass die Produkte dann als biologisch galten. Dass niemandem auffiel, dass es für die angebotene Menge Produkte gar nicht die Anbauflächen gab. Kein Mensch hatte sich das wirklich angeschaut, obwohl man seit Jahren wusste, dass es in Italien am Biosektor Probleme gibt. Man wusste das in Brüssel und auch in Österreich im Ministerium. 

Standard: Was müsste sich bei der Biokontrolle jetzt ändern? 

Lampert: Die EU-Verordnung muss novelliert werden, sodass jedes Bioprodukt für den Endverbraucher rückvollziehbar wird, nicht nur bis zum Bauern, sondern bis zum Grund und Boden, wo es angebaut wurde. Für mich hat sich bestätigt, dass es richtig war, unser System für "Zurück zum Ursprung" (Lamperts Bio-Produktlinie für die Hofer-Supermärkte, Anm.) komplett umzustellen. 

Standard: Um wieviel teurer würden Bioprodukte, wenn alles nachvollziehbar wäre?

Lampert: Überhaupt nicht teurer, denn Bioproduzenten sind zu derlei Redlichkeit verpflichtet! Bioprodukte sind die letzten Ehrenprodukte. Wir können keinen Aufpreis dafür verlangen, Gaunereien abzustellen, die es nicht geben dürfte - die es aber geben wird, solange biologische Produkte global gehandelt werden.

Standard: Vorteil des globalisierten Bio-Lebensmittelmarkts ist, dass rund ums Jahr ein breites Angebot auch nicht-saisonaler Produkte existiert: ein Sündenfall? 

Lampert: Das kann man nicht über den Daumen peilen, denn es gibt überall auf der Welt ehrenwerte Menschen, die in der Bio-Landwirtschaft gute Arbeit leisten. Tatsache jedoch ist, dass, wenn man im Ernährungsbereich eine Wende zu Nachhaltigkeit und Qualität will, man nicht biologisch weitermachen kann, wie es die konventionalle Landwirtschaft vorzeigt. Vielmehr sollte ein Großteil dessen, was konsumiert wird, aus lokaler Landwirtschaft kommen.

Standard: Also sollte man in unseren Breitengraden keine Bioparadeiser im Winter essen?

Lampert: Genau, denn so südlich kann der Anbauort gar nicht sein, dass das nicht absurd ist. 

Standard: Inwiefern?

Lampert: Weil diese Paradeiser nur in einer isolierten Landwirtschaft in Folientunnels gedeihen können, in Gegenden, wo der Boden meist karg ist und nur die Sonne ein bisschen länger scheint. Und es müssen Düngemittel eingesetzt werden: Das ist keine Kreislauflandwirtschaft, wie es eine biologische Landwirtschaft immer sein sollte: eine Produktionsmethode, im Zuge derer der Bauer aus dem Boden nur herausholt, was er vorher in ihn hineingebracht hat.

Standard: Wie sieht das beim Fleischkonsum aus? Sollte man weniger Fleisch essen, wenn man eine nachhaltige Landwirtschaft befürwortet?

Lampert: Ja, denn die heutige Art Fleischproduktion ist ohne Zukunft, ohne Verstand und ohne Sinn. Das Fleisch, das wir essen, würde es um diesen Preis nicht geben, wenn nicht in Südamerika der Regenwald zerstört würde, um auf den gerodeten Flächen Soja anzubauen. Wir befinden uns hier in einer Scheinwirtschaft, einer Scheinwelt.

Standard: Wer hier Änderungen einfordert - etwa bei der Tierhaltung - wird harsch kritisiert. Warum ist gerade die Fleischproduktion so ein umkämpftes Thema?

Lampert: Weil die Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten gelernt hat, unter bestimmten Bedingungen zu bestimmten Preisen Fleisch zu produzieren: mit relativ geringem Einsatz, geringem Risiko und ökonomisch relativ günstig. Jede Veränderung hat die Folge, dass irgendwer die Zeche zahlen muss - und die Bauern wollen das eben nicht sein. 

Standard: Wo liegt der Ausweg?

Lampert: Es müssen sich alle Beteiligten klarmachen, dass der Amazonas genauso zu uns gehört wie etwa der Lungau. Wir haben nur eine Weltlunge und was in Südamerika auf ungeeigneten Böden unter Einsatz von viel Chemie an Futter für unser europäisches Vieh angebaut wird, schlägt klimamäßig über kurz oder lang auf uns zurück. (Irene Brickner, DER STANDARD, Printausgabe, 13.12.2011)