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Kandidat gegen oder für Putin?

Foto: Dmitry Lovetsky/AP/dapd

Callgirl-Affäre, 60-Stunden-Woche oder Yo-Mobil: Kaum jemand polarisiert in Russland so stark wie der Oligarch und gescheiterte Parteichef Michail Prochorow. Nun will er Präsident werden.

"Drei, zwei, eins, Start" könnte das Motto für Prochorow lauten: Mit einem Vermögen von 18 Milliarden US-Dollar ist er die Nummer drei unter Russlands Oligarchen. Als er im Frühjahr auf Anweisung des Kremls die liberale Partei "Rechte Sache" übernahm, sollte er sie zur zweitstärksten Duma-Partei machen - und scheiterte. Jetzt will er sich zur Nummer eins in Russland aufschwingen.

Es sei die "ernsthafteste Entscheidung" seines Lebens, verkündete Prochorow. Ob die Russen ihn ernst nehmen, steht auf einem anderen Blatt: Bekannt wurde der Milliardär den meisten nämlich, als er 2007 in Begleitung mehrerer junger Damen im französischen Skiort Courchevel festgenommen wurde. "Feiern wir Russen einmal richtig, heißt es sofort, es sei eine Orgie", erklärte Prochorow.

Auf eine Anklage wegen Zuhälterei verzichteten die französischen Behörden. Doch seitdem hat Prochorow - mit inzwischen 46 Jahren immer noch Junggeselle - ein Playboy-Image. Das pflegt er kräftig. Unter anderem kaufte er den US-Basketballklub New Jersey Nets.

In der Politik hat er weniger Erfolg: Sein Vorschlag einer 60-Stunden-Arbeitswoche löste in Russland allerhand Diskussionen, aber keine Sympathien für den Milliardär aus. Auch der Versuch, sich mit dem Bau des ersten russischen Hybridfahrzeugs (Yo-Mobil) als Macher zu profilieren, ist gescheitert; die Zukunft des Projekts steht in den Sternen.

Die russische Mittelschicht will er bei den Wahlen für sich gewinnen, indem er eine "neue Partei der Taten, nicht der Worte" verspricht. Bei der Opposition fällt Prochorow durch. Es sei nach der Pleite mit der "Rechten Sache" das zweite gemeinsame Projekt, das der Milliardär mit Wladimir Putin durchziehe, erklärte der Liberale Boris Nemzow. Prochorows Aufgabe bestehe darin, Protestwähler aufzusammeln und Putin so den Wahlsieg zu ermöglichen.

Auf einen Sieg kann Prochorow Umfragen zufolge nicht hoffen. Zu groß ist die grundlegende Abscheu der Russen vor den Oligarchen. Trotzdem kann die Kandidatur ihm Dividenden bringen. Sollte Putin gewinnen, braucht er einen "liberalen" Premierminister. Prochorow wäre ein passender Kandidat - allerdings nur als klare Nummer zwei. (André Ballin, DER STANDARD-Printausgabe, 14.12.2011)