Die neuen Heavy-Rock-Götter heißen Queens Of The Stone Age. Sie kommen aus der kalifornischen Mojave-Wüste und jagten in der ausverkauften Wiener Arena die Untoten des Rock 'n' Roll vor sich her.


Wien - Wenn man die nach dem gleichnamigen Akkord benannte E-Gitarre um zwei Grundtöne tiefer auf C stimmt, klingt sie schnell einmal wie eine kranke Kuh. Von unten her aus dem Pansen erhebt sich ein Wehklagen, das den ganzen Kosmos zu erschüttern imstande ist: Mmmm-uuuuh! Schwerfällig, zäh, mahlend. Auch wenn Gitarrist Josh Homme von den kalifornischen Queens Of The Stone Age in die lose schlenkernden Saiten seiner Gibson fährt, dann bebt die Welt.

Dabei wird hier in der Wiener Arena im ehemaligen Schlachthof St. Marx keineswegs eine müde Geisterbeschwörung von untot auf dem Areal für schlechtes Karma spukenden Rindviechern betrieben. Es sind vielmehr die Wiedergänger der großen und längst vergangenen klassischen Ära des Rock, die zwar schwer verdaulich, aber mit Feuer unterm Hintern noch einmal zur Schlachtbank getrieben werden.

Man kann es auch so sagen: Wenn man als Modernisierungsverlierer glaubt, dass relevante zeitgenössische Musik auch ohne Laptop, dafür aber mit drei, vier draußen parkenden Trucks für die Gitarrenverstärker, das Jausenbrot und die Groupies seine Berechtigung hat, dann hat man bei einem Auftritt der Queens die Zeit seines Lebens.

Hervorgegangen sind sie Ende der 90er-Jahre aus den Überresten der legendären, zwischen den Ringen des Saturn, der Mojave-Wüste, diversen bewusstseinserweiternden Substanzen und der Notaufnahme im Krankenhaus vermittelnden Stoner-Rock-Band Kyuss.

Und das dumpfe Grollen, die majestätische Schwere, der mächtige, fern vom auffrisierten Bluesrock der Heavy-Metal-Begründer Black Sabbath her kommende Schlag in die Magengrube als musikalisches Credo, das alles hat sich die lose um das Duo Josh Homme und Bassist Nick Oliveri kreisende Band auch bewahrt.

Bei dieser Europatournee, die in der Wiener Arena zum hochenergetischen und dabei sexy-gelassenen Triumphzug wurde, beschäftigen Homme und Oliveri neben Gitarrist und Keyboarder Troy Van Leeuwen nach dem kurzfristigen Engagement des ehemaligen Nirvana-Drummers Dave Grohl für die Einspielung von Songs For The Deaf heute Joey Castillo, Sargnageltreiber der sinistren Satanisten Danzig.

Dunkle Energie

Der sorgt dafür, dass neben der Schwere auch aus zeitgenössischeren Stilen wie Grunge oder dem melodiösen Mopedrock diverser skandinavischer Bands wie Turbonegro oder The Leather Lun dunkle Energie bezogen wird.

Jetzt eine Durchsage für Erwachsene, die den rüden und harmoniescheuen Prügelmetall der Vorgruppe Disturbed weit hinten in der Arena mitverfolgten: Weil Schwere sich nur richtig entfalten kann, wenn sie einer melodiösen Leichtigkeit gegenübergestellt wird, sorgen nicht nur zarte, psychedelische Einsprengsel und getragene, unter anderem bei Pink Floyd entlehnte Melodiebögen für Auflockerung. Der sanfte, aber intensive Gesang von Josh Homme wird schließlich noch vom überraschend auf Tour mitgekommenen Gastsänger Mark Lanegan weit in den Schatten gestellt.

Der ehemalige Frontmann der Grunge-Götter Screaming Trees, über Jahre von hervorragenden Soloplatten wie Field Songs , vor allem aber von lebensbedrohenden Depressionen geplagt, hat sich als festes freies Bandmitglied so weit erholt, dass er heute morbide Hymnen wie Hangin' Tree derart unter die Haut gehend, aber auf Distanz singen kann, dass dem Publikum mehr gruselt als ihm selbst. Ein Konzert des Jahres. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.6.2003)