Plakatierter Aufruf zu Verständnis und Einmischung vor Ute Bocks neuem altem Haus. Bis April wird renoviert, dann sollen vor allem alleinstehende Asylwerber einziehen.

Foto: Christian Fischer

Wien - Donnerstagvormittag in Wien-Favoriten: Vor einer Imbisstube beschimpfen einander zwei Betrunkene, drinnen übt sich eine Verkäuferin in betonter Zurückhaltung. Ja, von der geplanten Rückkehr der Flüchtlingshelferin Ute Bock in die Zohmanngasse 28, nur eine Straßenecke entfernt, habe sie gehört. Manche Kunden würden sich beschweren, sie wollten keine Flüchtlinge hier. Und sie selber? "Ich sag da gar nichts", meint die Frau mit Migrationshintergrund.

Ein vor seinem Wohnhaus wartender Mann wiederum hat eine dezidierte Meinung zu dem erneuerten, caritativen Unterbringungsprojekt: "Ich bin dagegen!" Warum? "Ich habe hier schon gewohnt, als noch Jugendliche da waren. Die ganze Nacht wars laut, Aschenbecher sind auf die Straße geflogen. Das will ich nimmer."

Keinen Unterschied hingegen macht es für ihn, dass in dem ehemaligen, früher ebenfalls von Ute Bock betriebenen Gesellenheim, welches von der Stadt Wien im Jahr 2000 geschlossen wurde, ab April 80 Flüchtlinge leben sollen: "Ein Ausländer ist auch ein Mensch!", betont der türkische Staatsbürger, der 31 Jahren in Wien lebt.

"Menschen, die unsere Hilfe brauchen"

Das Haus, um das es geht, wird derzeit renoviert. Seit Mittwoch weist ein großes, vor das Baugerüst in der Zohmanngasse 28 montiertes Plakat auf die Pläne der bekannten Flüchtlingshelferin hin: "Hier wohnen bald 80 Menschen aus aller Welt. Menschen, die unsere Hilfe brauchen", steht darauf. "Das Haus hat 80 Einzelzimmer, in die vor allem alleinstehende Asylwerber einziehen sollen. Und anerkannte Flüchtlinge, die nach dem positiven Asylbescheid oft vor dem Nichts stehen. Keine Unterkunft mehr, kein Job, noch kein Sozialhilfe", erläutert Bock.

Den Prekariumsvertrag für das Objekt hat sie am Donnerstag im Strabag-Haus in Wien-Donaustadt feierlich unterzeichnet, gemeinsam mit dem Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner. Dieser hat das ehemalige Gesellenheim um 916.000 Euro für sie von der Gemeinde erworben. Jetzt lässt er es sockelsanieren, um "mehrere 100.000 Euro". "Für wohlhabende Menschen sind Investitionen für Sozialprojekte eine Pflicht - und den vielen Spendern, die sie aufrechterhalten, ist Respekt zu zollen", sagt er. Das Flüchtlingshilfsprojekt der Ute Bock unterstützt er seit 2008. Davor hatten Mietschulden Bock fast in den Konkurs getrieben.

Proteste - und die FPÖ

Im Grätzel um die Zohmanngasse gehen die Meinungen über Bocks Projekt indes auseinander. Eine "Unabhängige Aktionsgemeinschaft Zohmanngasse" hat in den umgebenden Gemeindebauten Protestzettel an die schwarzen Bretter gepinnt, Bezirksvorsteher-Stellvertreter Michael Mrkvicka (FP) unterstützt dies, wie er im Standard-Gespräch sagt.

Derlei politische Vereinnahmungsversuche wollen die Projektmacher abwehren. Vor dem Hauseingang wurde ein Briefkasten angebracht, für "Anregungen, Sorgen und Bedenken": "Wir wollten mit den Anrainern ins Gespräch kommen. Werden sie einladen, zu Filmvorführung, Kochabenden und Diskussionen", sagt Josef Neumayr vom Verein "Lernen aus der Zeitgeschichte": "Das Haus soll ein Schmuckstück des Grätzels werden." (Irene Brickner, DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2011)