Die Caritas bekommt durchschnittlich etwa vier bis fünf Euro pro Handy.

Foto: ö3.at/daStandrad.at

Bereits zum siebenten Mal flattert sie heuer in alle österreichischen Haushalte: die Ö3-Wundertüte. Sie "verwandelt Ihr altes Handy in eine wertvolle Spende für Familien in Not in Österreich", wie auf ihr zu lesen ist. Angefangen von den Ö3-Stars, über zahlreiche Medien und Kooperationspartner wird die Aktion massiv beworben. In etlichen Schulen läuft sogar ein Wettbewerb, wer die meisten Handys sammeln kann. "Ein Riesenerfolg", sagen die Verantwortlichen. Ein Riesengeschäft ist es dagegen für andere.

Denn irgendwie – das leuchtet ein – muss ja aus einem alten Handy Geld werden. Und das geht so: Kaputte Geräte werden in Europa recycelt. Funktionierende Handys dagegen verkauft. Freilich nicht in Europa, wo es neue Smartphones schon ab null Euro gibt, sondern nach Asien und seltener nach Afrika.

Doch schön der Reihe nach: Die Post schickt an jeden österreichischen Haushalt eine Wundertüte. Die Zahl der Handys, die in Österreich nutzlos in den Schubladen liegen, wird zwischen sechs und zehn Millionen geschätzt .Wer möchte, kramt sein altes Handy aus der Schublade und packt es dort hinein. Danach braucht es nur noch einen Postkasten, eine Briefmarke natürlich nicht. Die gesammelten Handys kommen dann in den 21. Wiener Gemeindebezirk in die Steinheilgasse 3, einem Gebrauchtwarenlager der Caritas. Dort werden die Geräte von Langzeitarbeitslosen getestet und aussortiert. Eine Reihe von Kriterien wird dafür herangezogen, aber grob gesagt lautet die Hauptfrage: Welches Handy kann man noch verkaufen, und welches nicht?

Michael Kleinbichler ist der Verantwortliche dieses Projektes der Caritas. Seine Aufgabe sei es Handys zu verkaufen, wie er sagt. Und zwar zum bestmöglichen Preis. Nachdem die funktionsfähigen, Handys aussortiert sind, werden sie in einer nicht-öffentlichen Auktion versteigert. Wer in dieser Sache als Zwischenhändler und Kontaktmann arbeitet, möchte Kleinbichler nicht verraten.

Alt-Handys bis zu 200 Euro wert

Gesprächsfreudiger ist da schon die vermeintliche Konkurrenz von der Firma upcom, eigentlich auf Telekommunikations-Distribution spezialisiert. Seit 2009 hat man allerdings auch dort das Geschäft mit den gebrauchten Handys entdeckt. Kunden bringen ihr Handy in ein Partnergeschäft und bekommen dann Geld dafür. Je nachdem wie alt und in welchem Zustand das Handy ist zwischen einem und über 200 Euro.

Franz Schwalb-Schich, Marketing- und Vertriebsleiter von upcom, bestätigt zwar nicht, dass sie Kontakte zu Großhändlern für die Caritas herstellen, verneint es aber auch nicht. Dass upcom in der Wundertüten-Aktion grundsätzlich eng mit der Caritas zusammenarbeitet, ist aber kein Geheimnis. "Wir stellen der Caritas in dieser Sache unser Fachwissen zur Verfügung", sagt Schwalb-Schich.

Absatzmarkt Hong Kong und Afrika

Die Großkunden, die weder upcom noch die Caritas nennen will, kommen Großteils aus Hong Kong. Sie bezahlen laut Caritas durchschnittlich etwa vier bis fünf Euro pro Handy. Das ist realistisch, denn die Handys, die bei Caritas landen, sind meistens schon fünf bis zehn Jahre alt. Andere Alt-Handy-Verkäufer, wie etwa ecoATM in San Diego kommen auf durchschnittlich 25 Dollar (etwa 20 Euro) Restwert. Die Differenz lässt sich dadurch erklären, dass durch die Wundertüte die wesentlich älteren Geräte eingesammelt werden als durch upcom und co.

Und dennoch: Zwei Millionen Handys will die Wundertüte bereits gesammelt haben. Bei vier bis fünf Euro pro Handy kommt da ganz schön etwas zusammen. Das non-profit Geschäft hört natürlich bei der Caritas auf. Alle danach involvierten Akteure sind gänzlich profitorientiert, wie Kleinbichler von der Caritas bestätigt.

Der größte Absatzmarkt für die Caritas ist China und dort im speziellen Hong Kong. Afrika spielt auch eine Rolle, wenn auch nur eine geringe. Wie teuer die Geräte dort weiterverkauft werden, möchte Kleinbichler nicht sagen. Nur was dort mit ihnen geschieht: "Die Geräte werden überarbeitet, damit sie wieder wie neu aussehen. Sie bekommen eine neue Software, ein neues Cover und was sonst notwendig ist."

Tatsächlich kosten Gebraucht-Handys in China zwischen zehn und über 100 Euro, abhängig vom Modell, Provinz und Händler. Der Preis vervielfacht sich also. Für Großhändler ist das reizvoll, schließlich stellen sie ihr Produkt noch nicht einmal selber her. Sie müssen lediglich für Transport-, Lager- und Service der alten Geräte aufkommen.

Wird ein Umweltproblem nur profitabel abgeschoben?

Der zweite Teil Aktion Wundertüte ist das Recycling von kaputten Handys. Aus alten Handys werden wertvolle Rohstoffe wie Kupfer, Gold, Iridium und andere Grundstoffe gewonnen. Es ist vielfach dokumentiert, dass diese Stoffe in afrikanischen Ländern unter katastrophalen Bedingungen abgebaut werden. Das Recycling macht also grundsätzlich Sinn.
Außerdem geht es um die fachgerechte Entsorgung von alten Handy-Akkus. Landen diese im Restmüll könne dies zu Umwelt- und Gesundheitsschäden führen, so die Wiener Umweltanwaltschaft. Das Schwermetall Cadmium wird etwa als krebserregend eingestuft und befindet sich in Akkus.

In Europa gibt es hohe Standards, die das Recycling von Elektroschrott regeln. Kaputte Wundertüten-Handys werden unter eben diesen Standards recycelt, weshalb die Aktion von den Initiatoren nicht nur als wohltätig, sondern auch als umweltfreundlich eingestuft wird. Allein- diese hohen Standards in Europa seien teuer, wie Schwalb-Schich sagt. Lediglich 50 Cent an Spendengeldern kommt pro recyceltem Handy aus der Wundertüte zusammen.

"Katastrophale Arbeitsbedingungen in chinesischen Handyfabriken"

Ob es in China oder afrikanischen Ländern, die als Absatzmarkt für Alt-Handys dienen, diese Standards auch gibt, darf bezweifelt werden. Es stellt sich nämlich die Frage, was mit den fünf bis zehn Jahre alten Handys in China passiert, nachdem sie den Geist aufgeben? Dass sie recycelt werden ist anzunehmen, da der Großteil der neuen Handys aus China kommt. Aber unter welchen Arbeitsbedingungen und welchen Umweltstandards das passiert, ist dagegen nicht so klar. "Es liegt nicht im Verantwortungsbereich der Caritas, was mit den Handys passiert, nachdem sie verkauft werden", so Kleinbichler. Verschiedene Studien und Reportagen stellten jedenfalls "katastrophale Arbeitsbedingungen in chinesischen Handyfabriken" fest.

Auch wie Elektroschrott in afrikanischen Ländern recycelt wird, ist gut dokumentiert. "Standards" gibt es demnach nicht wirklich. Dagegen sind in den letzten Jahren immer wieder Bilder und Videos von Kindern veröffentlicht worden, die am Feuer sitzen und versuchen aus alten Elektrogeräten Kupfer und ähnliches zu gewinnen. Die hochgiftigen Dämpfe, die dabei entstehen, werden für einen Hungerlohn zwangsläufig in Kauf genommen.

Grenzen der Wohltätigkeit

Bevor die Handys hierzulande also zu Schrott werden und womöglich auch noch die Umwelt verschmutzen, werden sie hochprofitabel verkauft. Es scheint nicht weit hergeholt, wenn man rückschließt, dass dadurch kein Umweltproblem behoben, sondern lediglich gewinnbringend exportiert wird. Der humanitäre Anspruch und die Umweltliebe reichen bei der Wundertüte nur bis zur Landesgrenze. Großhändler sind dabei allerdings nur Nutznießer unseres Handykonsums.

Die Caritas selbst macht bei der Aktion natürlich keinen finanziellen Gewinn. Der Verkaufserlös abzüglich von Bearbeitungskosten und ähnlichem geht an Licht ins Dunkel. (Yilmaz Gülüm, daStandard.at, 16.12.2011)