Stilllegung und Rekultivierung landwirtschaftlicher Fläche in der Tschernobylregion zwischen 1986 und 2006 in der ukrainisch-weißrussischen Grenzregion.

Foto: Hostert et. al 2011

Das Ende der Sowjetunion hat sich insgesamt drastischer auf die Landwirtschaft ausgewirkt als das Reaktorunglück von Tschernobyl. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die vor kurzem in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift "Environmental Research Letters" veröffentlicht wurde. Mit Hilfe von Satellitendaten untersuchten die Autoren die Grenzregion von Weißrussland und der Ukraine in einem Radius von 80 Kilometern um den Reaktor von Tschernobyl. Sie verglichen die Effekte der Tschernobylkatastophe nach der Kernschmelze (1986-1992) mit denen der Transformation in Weißrussland und der Ukraine nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion (1992-1999-2006).

Nach dem Reaktorunglück 1986 wurde die Bevölkerung aus Gebieten evakuiert, die in hohem Maße mit radioaktivem Cäsium 137 belastet waren. Der Studie zufolge wurden bis 1992 in einem Umkreis von 30 Kilometern um den Reaktor in Weißrussland und in der Ukraine etwa zwei Drittel der landwirtschaftlichen Flächen stillgelegt. Weit niedriger war der Anteil stillgelegter Flächen im weiteren Umkreis, wo die Umsiedlung nicht vorgeschrieben war: 24,9 Prozent in Weißrussland und 23 Prozent in der Ukraine.

Überraschender Befund

Insgesamt wurden nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion mehr Flächen stillgelegt (36 Prozent) als nach der Tschernobylkatastrophe. Besonders hoch waren die Stilllegungsraten in den ersten zehn Jahren nach dem Zusammenbruch. "Wir hatten natürlich erwartet, dass radioaktiv kontaminierte landwirtschaftliche Flächen auf beiden Seiten der Grenze nicht mehr genutzt werden. Aber dass die Stilllegungsraten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion genauso hoch bzw. im Falle der Ukraine sogar höher waren als nach dem Reaktorunglück, hat uns wirklich überrascht", kommentiert Alexander V. Prishchepov, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO), der an der Studie mitgearbeitet hat. "In der Sowjetära wurden auch schon Flächen stillgelegt, das war uns bekannt. Aber der Systemzusammenbruch brachte eine ganz andere Dynamik mit sich, das Ausmaß der Stilllegungen war viel größer als zuvor." (red)