Warum sollte der Pirat besser sein als die Tierärztin?

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Neulich beim Nachhausekommen: Meine Tocher stürzt sich auf ihren Playmobil-Adventkalender der auf Jurassic Parc getrimmt ist, freut sich über den Dinosaurier mit scharfen Zähnen und beginnt damit zu spielen. Da ihr der zum Adventkalender mitgelieferte Hintergrund aus Karton zu klein ist, holt sie ihre schwere Steinekiste, in der seit Jahren Fundstücke gesammelt werden, und baut eine zusätzliche Felsenlandschaft samt Plastikdrachen, der sich schon vor längerer Zeit unter ihre Spielsachen gemischt hat.

Neulich hier auf dieStandard.at: Eine Diashow im Ressort Zitronen, die sogenanntes "Mädchenspielzeug" heftig anprangerte: Viel rosa, Puppen und Küche, Schminkkopf, ein Sternenschweif-Experimentierkasten usw.. Alles ziemlich kitschige Dinge, auch aus meiner Sicht, keine Frage. Nur: Ist das wirklich das Problem? Ich kenne aus eigener Erfahrung den Großteil der vorgestellten Spielwaren, fand sie beim Verschenken an die Tochter scheußlich, aber wenn die Dreijährige das Superglitzerpony und die Lillifeebettwäsche unbedingt haben will, dann soll es halt so sein. Zusätzlich bekam meine Tochter immer auch sogenanntes Buben-Spielzeug, auch weil ihre Tanten vehement keinen rosa Kitsch schenken wollten. Vom riesigen Feuerwehrauto, das im Notfall als Barbietransportmittel eingesetzt wurde, bis zum Traktor samt Anhänger. Allein: Ihre Lieblingsspielsachen blieben kitschige rosa Puppen, rosa Ponys und selbst der Nintendo musste rosa sein.

Mittlerweile ist die Tochter acht Jahre alt. Sie wünscht sich zu Weihnachten ein Lego-Haus (nicht das aus der Mädchenkollektion), hat neben dem Dinosaurier-Adventkalender auch Playmobil Miniatur-Piraten und -Bankräuber, Feuerwehr- und Polizeiautos und sonstiges angebliches "Bubenspielzeug". Rosa wird mittlerweile vehement abgelehnt. Trotzdem spielt sie manchmal auch noch mit den furchtbaren Polly-Pocket-Sachen und schleppt die Baby-Born-Puppe mit jener Schulfreundin durch die Wohnung, die sich zum Geburtstag einen ferngesteuerten Hubschrauber gewünscht hat.

Niemand hätte jemals im Traum daran gedacht, ihr als Mädchen Piraten, Feuerwehrautos und sonstiges "Bubenzeug" samt Piratenoutfit und Schwert zu verbieten. Nein, weil insgeheim freut frau sich darüber, dass das Kind mit den coolen Bubensachen spielt und tappt in die gleiche Falle wie die Bubeneltern oder jene, die sogenanntes Mädchenspielzeug anprangern: Sind Bubensachen tatsächlich cooler, und warum ist der rosa Kitsch denn schlecht? 

Welche Buben-Eltern trauen sich, dem Sohn die Prinzessinnenbarbie zu kaufen? Welcher Bub darf rosa oder ein Haarspangerl tragen, ohne im Kindergarten dafür verspottet zu werden? Selbst liberale Eltern haben Angst, der Kleine könnte "zu weiblich" werden.

Rosa Experimentierkasten?

Puppenspielen ist genauso gut wie Ritterspielen, die Plastik-Starwars-Krieger sind genauso grässlich wie die Plastik-Polly-Pocket-Puppen. Nur ist das noch nicht in den Köpfen angekommen, und genau deswegen verdienen "uncoole" Kindergärtnerinnen und Krankenschwestern halt weniger als "coole" Automechaniker und Elektroinstallateure. Dass ein Mädchen eine Puppenküche will, ist genauso verständlich, wie ein Bub den Werkzeugkasten, wenn ihm das daheim so vorgelebt wird. Dass ein Mädchen der Puppe das "Kacka" wegwischt und ihr das Fläschchen gibt, ist, nachdem Frauen die Kinder bekommen, nicht zu kritisieren. Der für die gesellschaftliche Entwicklung wesentliche Punkt ist, dass den kleinen Buben bereits vermittelt wird: "Damit hab ich nix zu tun, beziehungsweise darf ich gar nichts zu tun haben". Warum sollte sich das 25 Jahre später gravierend ändern?

Wenn es darum geht, die Geschlechter in ihren Rollen schon in der Spielphase näher aneinander heranzuführen, dann ist der auf dieStandard.at kritisierte rosa Experimentierkasten von Sternenschweif ein begrüßenswertes Beispiel. Wenn sich Mädchen mit Naturwissenschaften beschäftigen, weil das Ding halt rosa und in eine Einhornstory verpackt ist, dann ist es ein guter Weg, ihr Interesse am Experimentieren zu wecken. Im besten Falle führt das dazu, dass sich mehr weibliche Studierende für Naturwissenschaften interessieren.

Wie sich Kinder entwickeln, hängt sicher viel weniger vom rollenstereotypen Spielzeug ab, sondern von ihrem Umfeld. Wenn bei Mädchen rosa, Glitzer, Feen usw. besonders gefördert werden und die Mamas und Papas ("meine süße kleine Prinzessin") das auch super finden, dann werden das die kleinen Mädchen ebenfalls super finden. Wenn der Papa auch am Herd steht und mit dem Staubsauger durch die Wohnung fährt, die Mama aber auch mit Werkzeug umgehen kann, dann ist das sicher wesentlicher in der Entwicklung für die Mädchen als das Little Pony. Wirklich verändert hat sich diese Gesellschaft aber erst dann, wenn Buben, die mit Glitzerspangerln in den Kindergarten gehen, nicht dafür verspottet werden und ungeniert auch im Schulkindalter mit Puppen spielen dürfen. Dann wird Weibliches nicht mehr als minder gelten und sogenannte Frauenberufe auch besser entlohnt werden. 

Und ja, her mit der Genderdebatte! Aber einer, die beim Entstehen der Rollenklischees nicht die Symbole zur Ursache erklärt. Denn wegen der Puppenküche landet Frau letztlich nicht am Herd und sei sie noch so rosa. (Petra Eder, dieStandard.at, 21.12.2011)