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Sexarbeit verbieten, um Frauen zu schützen? Österreichische Beratungseinrichtungen sind von diesem Prinzip nicht überzeugt. Im Gegenteil: Der prohibitive Ansatz löse keine Probleme, sondern verdränge sie nur.

Foto: REUTERS/Bernadett Szabo

Prostitution hat es immer gegeben und wird es immer geben. Diese Haltung ist vielgeteilt und wird wie ein Naturgesetz ins Feld geführt, um der Ablehnung von Sexkaufverboten wie in Schweden eine felsenfeste Grundlage zu verpassen. Dort wurde bereits 1999 ein Gesetz erlassen, das die Freier(innen), nicht aber die AnbieterInnen sexueller Dienstleistungen (SDL) kriminalisiert. Langfristiges Ziel: deren Abschaffung. Die dahinter stehende Position: Prostitution ist eine Menschenrechtsverletzung, die in erster Linie Frauen viktimisiert. Auch Norwegen hat seine Gesetzgebung bereits an diesem adaptierten Verbotsmodell ausgerichtet, und Frankreich ist auf dem besten Weg dahin.

Österreich dagegen orientiert sich an Deutschland, wo "Prostitution" der "Sexarbeit" Platz gemacht hat - und die soll wie jede andere Arbeit auch behandelt werden: Pflichten, Rechte. Klar unterschieden wird hier zwischen freiwillig erbrachten und erzwungenen sexuellen Dienstleistungen, und Letztere sind selbstverständlich auch in Ländern mit liberalem Zugang zu Sexarbeit strafbar.

Der Schutz der SexarbeiterInnen vor Ausbeutung steht in beiden Ansätzen zur Regelung der Prostitution im Vordergrund. In Österreich konnten sich die GesetzgeberInnen bislang jedoch nicht dazu entscheiden, Sexarbeit als ganz normale Dienstleistung zu betrachten, weshalb auch die Sittenwidrigkeit noch nicht abgeschafft wurde. So werden SexarbeiterInnen arbeitsrechtlich als Scheinselbstständige geführt, die weder angestellt werden noch Gehalt einklagen können, kritisieren SexarbeiterInnen-Selbstorganisationen und Beratungszentren wie LEFÖ, maiz und SOPHIE unisono. Sie alle fordern seit Jahren die Abschaffung der Sittenwidrigkeit, um den SexarbeiterInnen tatsächlich gleiche Arbeitsrechte zukommen zu lassen.

Europa steuert in Richtung Abolitionismus

Auch für die Politikwissenschafterin Birgit Sauer von der Universität Wien ist der Fall der Sittenwidrigkeit unabdingbar, erklärt sie gegenüber dieStandard.at: "Die Verrechtlichung eines Arbeitsverhältnisses bzw. einer Arbeitssituation als Selbstständige ist ein notwendiger Schritt, damit Sexarbeit, wie jeder andere Arbeitsbereich auch, nicht kriminalisiert wird." Allerdings sieht sie auf europäischer Ebene derzeit kein grünes Licht für eine weiterreichende Liberalisierung: Interessengruppen wie die einflussreiche "European Women's Lobby", die sich für eine verbotsorientierte Regulierung einsetzen, arbeiten in Brüssel erfolgreich gegen jene, die SDL als Arbeit anerkennen und von einer prohibitiven Regelung entkoppeln wollen. "Ich denke schon, dass wir feststellen können, dass es europaweit in Richtung Abschaffung geht", so Sauer.

Aggressives schwedisches Lobbying

Eva van Rahden von der Beratungsstelle SOPHIE - BildungsRaum für Prostituierte kritisiert den abschaffungsorientierten Zugang vehement: "Die SchwedInnen haben auf EU-Ebene aggressivst für ein Verbot lobbyiert, und damit ist es ihnen gelungen, ihre Politik auf breiter Ebene durchzusetzen." Das liberale Deutschland wurde immer wieder als das "größte Freudenhaus" Europas verunglimpft. Dabei, so van Rahden, stelle der Prohibitionsansatz eine große Gefahr für SexarbeiterInnen dar: "Es ist eine Form der Erwerbstätigkeit, das wird in Schweden aber durch diese Gesetzeslage negiert. Und die Frauen bewegen sich damit in einem illegalen Raum. Es wird nicht auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen geschaut."

Doppelbödigkeit und Gefahren

Renate Blum von der Migrantinnenberatungsstelle LEFÖ kritisiert am schwedischen Verbotszugang vor allem eine inhärente Doppelbödigkeit des Sexkaufverbots, mit dem man eigentlich umgehen will, dass Sexarbeit an sich kriminalisiert wird: "Das hat zur Konsequenz, dass die SexarbeiterInnen automatisch mitkriminalisiert werden. Freier sind letztlich das Geschäft der SexarbeiterInnen, und da gibt es ein bestimmtes Abhängigkeitsverhältnis." SexarbeiterInnen würden alles daransetzen, dass die Freier nicht auffliegen, meint Blum: "Also geht auch die Sexarbeit in den Untergrund." Auch die Eindämmung des Menschenhandels kann die Expertin anhand von Studien sowie Erfahrungsberichten aktiver SexarbeiterInnen und Betroffener von Frauenhandel nicht bestätigen: "Der Frauenhandel geht nicht zurück, nur die Sichtbarkeit. Es bleibt viel mehr unentdeckt, es findet eine Verdrängung statt."

"Jedes Verbot, jede Kriminalisierung, jedes Unter-Strafe-Stellen führt zur Etablierung eines Graubereichs, eines Schwarzmarktes, wo Menschen ungeschützt sind", führt Politkwissenschafterin Sauer die grundsätzliche Problematik eines Verbots aus. "Bei SDL sind es die SexarbeiterInnen, die ausbeutbar sind und kaum staatliche Schutzmaßnahmen in Anspruch nehmen können, die es in jedem anderen Arbeitsverhältnis gibt, von Arbeitszeitregelungen über hygienische Bedingungen bis hin zu sozialen Rechten. Dieser Schwarzmarkt schafft ganz viele verletzbare Positionen und lässt eine Gewaltstruktur entstehen, die sich auch in körperlicher Gewalt auswirkt."

Liberalisierung alleine nicht genug

Am Beispiel der Niederlande, die im Jahr 2000 als erstes europäisches Land Sexarbeit liberalisiert haben, ist laut Sauer allerdings auch gut sichtbar, dass eine Liberalisierung alleine nicht ausreicht, um die Gefahren der Sexarbeit auszuräumen: "Entkriminalisierung bzw. Liberalisierung ist nur der erste Schritt. Es braucht vor allem Rechte und weit mehr Schutzmaßnahmen für die Frauen und Männer, die in der Sexarbeit tätig sind, damit sie ihre Rechte auch wahrnehmen. Das kann man nicht über bloßes Laissez-faire regeln."

Heinisch-Hosek und die Sittenwidrigkeit

In Österreich scheint die Frauenministerin indes den eingeschlagenen liberalen Weg zu Ende gehen zu wollen. So steht es zumindest im aktuellen Themenpapier des Frauenministeriums. Van Rahden dazu: "Das Wichtigste im Moment ist die Aufhebung des OGH-Urteils, das einen Vertrag mit einer Sexarbeiterin als sittenwidrig benennt. So kann es künftig verstärkt möglich werden, Verträge abzuschließen. Wir gehen davon aus, dass die Rechtssicherheit für die Frauen Rahmenbedingungen schaffen kann, die sie besser vor Ausbeutung, vor schlechten Arbeitsbedingungen und langen Arbeitszeiten schützen. Dafür braucht es nun mal die Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit, und für diese Erwerbstätigkeit müssen Rahmenbedingungen gelten."

Neun Länder, neun Gesetze

Allerdings gibt es in Österreich ein Bundesgesetz und neun verschiedene Bundesländergesetze - und damit keine einheitliche Regelung der Sexarbeit. Blum sieht die Länder eher in Richtung Verbot tendieren: "Salzburg und andere Bundesländer gehen da mit, und auch das Wiener Prostitutionsgesetz mit der Regelung, die Straßenprostitution aus dem Wohngebiet herauszunehmen, hat eine Unsichtbarmachung der Sexarbeit zur Folge. Das gibt der Doppelmoral noch mal mehr Boden."

Dass in Österreich die meisten Dinge über die Länderebene geregelt werden, mache eine gesamtstaatliche Lösung "schwierig, aber nicht ausgeschlossen", meint Politikwissenschafterin Sauer. "Die Länder müssen allerdings mitziehen, damit das eine sinnvolle, die SexarbeiterInnen absichernde Maßnahme werden kann." Sie rät der Frauenministerin, die Länder einzubeziehen, "damit diese nicht teilweise prohibitive Regelungen einführen".

So wie aktuell in Wien mit den Erlaubniszonen oder in Vorarlberg, das van Rahden als "extremes Beispiel" anführt. Laut dem Sittenpolizeigesetz Vorarlberg von 1976 liegt die Genehmigungspflicht für ein Bordell bei der Kommune, und die vergibt einfach keine Erlaubnis. Das letzte Mal stand 2003 eine Bordelleröffnung zur Debatte, und es setzten sich die GegnerInnen durch. Derzeit bemüht sich ein Unternehmer um die Zulassung eines 21-Zimmer-Bordells, in dem 20 bis 25 Frauen als eigenständige Unternehmerinnen arbeiten sollen. Die ehrwürdige Stadtvertretung soll darüber noch im Jänner entscheiden. (Birgit Tombor, dieStandard.at, 23.1.2012)